Als Kopf des Stuttgarter CSD setzte er sich für ein möglichst breites Bündnis der queeren Community ein und kämpfte gegen Hass: Detlef Raasch, 60, hat den Weg frei gemacht für die nächste Generation. Wir sprachen mit ihm zu seinem Abschied.
Es gab mal eine Zeit, da reichte es, nur den Namen Detlef in Witzen zu erwähnen – und schon wurde über Schwule gelacht. Als Jugendlicher hat Detlef Raasch unter seinem Vornamen gelitten, heute aber hört der 60-Jährige überhaupt keine Witze mehr dazu, sagt er. Vieles hat sich verbessert – aber es gebe noch immer viel zu tun, findet der Altenpfleger, der seine ehrenamtliche Tätigkeit nach vier Jahren als Sprecher des Stuttgarter CSD und nach neun Jahren im Vorstand nun beendet hat, um den Weg für die nächste Generation freizumachen.
Detlef Raaschs Appell: „Wir können uns nicht zurücklehnen!“
Bei seiner letzten großen Rede als Kopf der queeren Community von Stuttgart sagte er beim Gaydelight auf dem Cannstatter Volksfest, die Feiernden im Wasenwirt-Zelt sollten nicht nur beim Tanzen den Hintern bewegen, sondern auch, um auf die Straße zu gehen und sich gegen rechtsextreme Gefahren zu wehren. Die erkämpften Rechte der queeren Community müssten verteidigt werden, fordert Raasch: „Wir können uns jetzt nicht zurücklehnen!“
Die Arbeit als ehrenamtlicher CSD-Sprecher sei oft ein „Fulltime-Job“, sagt der 60-Jährige. Nun sei es an der Zeit, dass Jüngere Verantwortung übernehmen. Mit dem langjährigen CSD-Demoleiter Marco Schreier ist er bei der Mitgliederversammlung der Interessengemeinschaft CSD Stuttgart nicht mehr bei den Vorstandswahlen angetreten. Künftig stehen gleich fünf Personen an der Spitze des Vereins, was nach der Satzungsänderung möglich geworden ist – alle sind unter 40 Jahre alt.
Alexander Prinz, 36, ist der einzige, der bisher schon im Vorstand war. Mit ihm wurden im ersten Wahlgang gewählt: Lars Lindauer, 38, Thomas Jansky, 25, Betina Starzmann, 34, und Sina Will, 31. Drei von ihnen werden bei Demos sprechen und nach außen den CSD vertreten: dies sind Lindauer, Starzmann und Prinz.
„Wir kämpfen dafür, dass wir so sichtbar bleiben, wie wir sind“, erklärt Lars Lindauer. Dem neuen Vorstandsteam gehe es darum, „in der Stuttgarter Community wieder mehr Kräfte zu bündeln, um eine größtmögliche Wirksamkeit in unserer queer-politischen Arbeit zu erreichen“, sagt Betina Starzmann.
Früher gab es beim CSD-Verein einen hauptamtlichen Geschäftsführer, der zu 60 Prozent bezahlt wurde. Dafür ist kein Geld mehr da, weshalb Detlef Raasch 2021 als ehrenamtlicher Sprecher einstiegen ist. In seiner Amtszeit ist die CSD-Demo immer größer geworden – auch OB Frank Nopper (CDU) ist zuletzt mitgefahren, wofür sich Raasch durch langsame Annäherung eingesetzt hatte. Er findet, das Stadtoberhaupt müsse bei einem so wichtigen Ereignis dabei sein. Für Schlagzeilen sorgte der Sprecher, als er vor zwei Jahren von einer Antifa-Gruppe beim CSD Prügel bezog.
Als der Rheinländer 1982 der Arbeit wegen nach Stuttgart gezogen ist, hätte er es niemals für möglich gehalten, dass eines Tages an einem Stuttgarter Wahrzeichen die Regenbogenfahne gehisst wird. Beim CSD 2021 ist dies am Turm des Hauptbahnhofs zum ersten Mal geschehen. Und niemals hätte Detlef Raasch, dessen Travestie-Auftritte bei Karnevalisten aus dem Rheinland Legende sind, gedacht, dass er so lange hier bleiben würde.
Der Rheinländer fühlt sich wohl in Stuttgart
Heute fühlt sich er in Stuttgart „gut aufgehoben“, wie er sagt: „Dass hier viele unterschiedlichen Nationen bunt zusammenleben, empfinde ich als Bereicherung.“ In dieser Stadt werde gleichgeschlechtliche Liebe als etwas „Normales“ angesehen, nicht als etwas „Verwerfliches“. Stuttgart sei „gut aufgestellt“, was die Buntheit betrifft, aber noch nicht am Ziel. Die Stadt brauche ein Regenbogenhaus, findet der Pflegedienstleiter, der sich seit 30 Jahren ehrenamtlich auch beim Deutschen Roten Kreuz engagiert.
Dass nun fünf Menschen an der Spitze des Stuttgarter CSD stehen, findet Detlef Raasch sehr gut. Die Arbeit sei so vielfältig geworden, dass drei Personen im Vorstand nicht mehr ausreichten. „Wir müssen wachsam bleiben“, sagt der scheidende Sprecher, „gerade mit Blick in den Osten sieht man, wie die Gefahr von rechts immer größer wird.“ Auch müsse man „über den Tellerrand hinaus schauen“. In Nachbarländern seien die Rechte queerer Menschen noch immer stark eingeschränkt. Künftig will sich Raasch auch ohne Posten für seine Ziele einsetzen und den Jüngeren mit Rat und Tat beiseitestehen.