Der gemeinsame Auftritt von den Bewohnern des Pflegezentrums Paulinenpark in Stuttgart und den Buben und Mädchen der benachbarten Kita eva:lino begeistert als gelungener Brückenschlag der Generationen die Zuschauer.
Gleich ist der Funke nicht übergesprungen. Da war erst mal ein Fremdeln, vielleicht auch ein bisschen Angst. Auf beiden Seiten. Bei den alten Menschen, die im Paulinenpark leben, und bei ihren kleinen Nachbarn, den Kindern aus der Kita Eva:lino. Aber als die Diakonie dieses Pflegezentrum baute, war genau diese Möglichkeit der Begegnungen mit einer Durchlässigkeit zur Kita der Evangelischen Gesellschaft unter demselben Dach eingeplant. Zwar teilt ein Zaun die gemeinsame Freifläche, und die Verbindungstüre bleibt meist versperrt. Doch das seien keine Hindernisse für das Zusammenkommen, beim Plätzchenbacken, Fasching feiern oder Ostereierbemalen, erzählt Dajana Pejic, die Leiterin des Hauses. Jetzt ist es das gemeinsame Theaterspielen, dem auch die Kita-Leitung gern zugestimmt hat. Und da tauen alle, Kinder und Alte, ganz schnell auf.
Für die Erinnerungen braucht es nur einen animierenden Stups
Biografisches Theater heißt das Genre, gespielt wird das Stück „Meine schönste Erinnerung“, und alle sind Hauptdarsteller. Es ist ein langes Leben, das die Damen und Herren im Paulinenpark hinter sich haben. Voll mit Ereignissen, schönen und weniger erfreulichen, von denen vielleicht nicht mehr alle präsent sind. Das Gedächtnis hat nachgelassen. Aber auch voller Erinnerungen, für die es nur einen animierenden Stups braucht, um sie hervorzuholen. Darauf verstehen sich Ulrike Kirsten Hanne, Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin, und ihr Team mit Schauspielerin Gudrun Remane und den Theaterpädagogen Katja Ritter und Hayan Amer bestens. Motivierend, einfühlsam, geduldig. „Das biografische Theater soll die Wertschätzung für die eigene Biografie vermitteln“, erklärt Hanne. „Jeder und jedes Leben sind von Bedeutung.“
Die Kinder bringen Bilder als Geschenke mit
Erzählen dürfen natürlich auch die Kinder. Und da spielt es gar keine Rolle, dass Rosa, Francesco, Mia, Success, Mika, Oyu, Levin, Adam und Lola erst vier bis sechs Jahre alt sind. Sie leben im Hier und Heute, ihre Erinnerungen sind so jung wie sie selbst und meist nur ein paar Tage alt: An den Ausflug mit der Oma in den Park, das Spiel mit dem Hundchen, das köstliche Eis, das die Mama spendiert hat und das tolle Bild, das gerade gemalt wurde. „Wir haben auch Bilder als Geschenke mitgebracht“, sprudeln sie heraus. Für die „großen Kollegen“.
Hayan Samer und Katja Ritter haben sie mit Sprechübungen und kleinen Rollenspielen mit dem Theater vertraut gemacht. „Aber die Buben und Mädchen haben auch das Zuhören lernen müssen“, verrät Amer. Zuhören, ruhig sein, nicht dazwischen kichern, wenn Mira Floreani, die aus Slawonien stammt, davon erzählt, wie gern sie im Meer geschwommen ist. Wenn Ingrid Bürkle-Zeeb sich daran erinnert, wie toll es war, als der Onkel aus Amerika ein Fahrrad geschickt hat. Ein Fahrrad. Nach dem Krieg. Was für ein Luxus: „Ich bin gefahren wie der Teufel. Ich war so glücklich.“ Rolf Kittel ist sein Einsatz beim Malteser-Rettungsdienst zum ersten Stuttgarter Faschingsumzug vor 50 Jahren so unvergesslich, dass er die Versorgung eines verunglückten Zechers sogar in Reime gefasst hat. Eine erschreckende Aktualität haben die Erinnerungen von Manfred Ritschel: Fremdenfeindlichkeit sei nichts Neues, er habe es als Flüchtlingskind aus dem Sudetenland nach dem Zweiten Weltkrieg schmerzlich erlebt. Den Kita-Kindern, die auch internationale Wurzeln haben, bleiben diese Erfahrungen hoffentlich erspart. Ihnen gehört immer die Szene dazwischen, die Show-Nummer mit Gesang und Spiel, bravourös absolviert.
Die Kinder übernehmen die „Schirmherrschaft“
Ihren großen Auftritt haben die Buben und Mädchen mit dem Ringelreihen zum Lied „Brüderchen, komm tanz mit mir“, das die begeisterte Theatergängerin Lore Barboritsch der Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck zuordnen kann. Und sie übernehmen, mit kleinen Papierschirmchen ausgestattet, auch noch die „Schirmherrschaft“ für die Dame, die sich so gern an den Moment erinnert, als alle Kollegen unter ihren Schirm flüchten wollten. Das „Sophisticated Orchestra“ singt und spielt dazu das Lied vom „Schnürlregen“.
Applaus, Lachen, Stimmengewirr: So munter geht es nicht alle Tage im Paulinenpark zu. Dajana Pejic freut sich, dass ihre Schützlinge wieder so aufgeblüht sind, die Kinder haben nicht weniger Spaß, beide Seiten profitieren vom Zusammenspiel. Das überzeugte auch Stadt und Land, die das Projekt mit je 10 000 und 7000 Euro unterstützt haben. Das schönste Lob findet Margarethe Hildenbrandt, eine der betagten Mitwirkenden, für diesen spielerischen Brückenschlag zwischen Jung und Alt: „Es ist eine Arbeit der Liebe.“