Muammar al-Gaddafi taumelt, aber fällt noch nicht Foto: dapd

Druck auf USA, in Libyen einzugreifen, wächst - Wechsel beim US-Afrika-Kommando in Stuttgart.

Sindelfingen/Stuttgart - Der Druck auf die USA, militärisch in Libyen einzugreifen wächst. Just indieser heiklen Zeit übergibt US-General William Ward das Africom-Kommando an General Carter Ham. 

Eigentlich scheint alles Routine: Nach Jahren harter und verdienstvoller Arbeit geht der Chef in Pension. Deshalb kommen seine Oberen angereist, wollen Danke sagen und bringen gleich den Nachfolger mit. Doch beim Kommandowechsel von US-General William E. "Kip" Ward an General Carter Ham an der Spitze des US-Regionalkommandos Africom gestern in der Sindelfinger Stadthalle ist so manches anders. Zunächst die Sicherheitsvorkehrungen: Der US-Verteidigungsminister Robert Gates kommt eigens für die Zeremonie angereist. So viel Ehre steht einem amerikanischen Viersterne-General zu. Und wohl auch wegen des Anschlags gegen US-Soldaten in Frankfurt in der vergangenen Woche gilt die höchste Sicherheitsstufe.

Gates kommt aber nicht aus Washington angereist, sondern direkt aus der afghanischen Hauptstadt Kabul, wo er eine Verbesserung der dortigen Kriegslage festgestellt haben will. "Sorry, dass ich hier 25 Minuten zu spät komme, aber es gab Zeiten, da hätte die Reise von Kabul nach Stuttgart 25 Tage gedauert", meinte ein reichlich müde wirkender Verteidigungsminister zu Beginn seiner kurzen Abschiedsrede für General Ward. Womöglich war Gates gedanklich auch bereits bei seinem nächsten Termin, dem Treffen mit den Nato-Verteidigungsministern am heutigen Donnerstag, bei dem es um die Reaktion des Westens auf das Blutvergießen in Libyen geht.

Libyen gehört zum Aufgabengebiet des Stuttgarter Afrika-Kommandos. "Es gibt da so einige Dinge auf dem Teller. Nix wie an die Arbeit", scherzt deshalb der stellvertretende Generalstabschef James Cartwright an die Adresse des neuen Africom-Kommandeurs mit typischem angelsächsischem Understatement.

Pentagon widersetzt sich Flugverbotszone

Der politische Druck auf die USA, militärisch zu handeln, wächst ständig. Schon jetzt nehmen US-Militärflugzeuge - von Africom geführt - an einer humanitären Mission teil, fliegen Versorgungsgüter in die Flüchtlingslager nach Tunesien und evakuieren Flüchtlinge.

Doch das Pentagon, angeführt von Robert Gates widersetzt sich - noch - allen weiterreichenderen Plänen, auch einer Flugverbotszone. Ein weiterer Militäreinsatz in Libyen könne sich das US-Militär, das bereits zwei Kriege im Irak und in Afghanistan zu bewältigen hat, schlicht nicht leisten, argumentierte Gates in der vergangenen Woche. Zudem, so befürchten nicht wenige skeptische US-Militärs, bestehe die Gefahr, dass sich eine Flugverbotszone leicht zu weiteren Verpflichtungen entwickeln kann , wenn man erst einmal militärisch eingegriffen hat. Doch den Risiken einer Intervention stehen andere, politische gegenüber: Die Gewalt zwischen den Aufständischen und dem Regime Muammar al-Gaddafis könnte sich zu einem richtigen Bürgerkrieg auswachsen, oder Gaddafi könnte doch noch siegen. Der US-Politikwissenschaftler Gary Bass beschrieb das Dilemma der USA und seiner europäischen Verbündeten kürzlich gegenüber der "New York Times" mit drastischen Worten: "Wenn man früh reingeht, um die größtmögliche Zahl an Menschenleben zu retten, werfen ihnen die Leute vor, dass sie überreagieren", sagte er. Wenn man aber später interveniere, um diesem Vorwurf zu entgehen, riskiere man viele Menschenleben.

Von diesem Tanz auf dem Vulkan ist gestern in Sindelfingen immer nur zwischen den Zeilen der Reden und in Gesprächen die Rede gewesen. General Ward und seine Frau Joyce sollten nach fünf Jahren in Stuttgart einen wohl verdienten würdevollen Abschied erhalten, mit militärischen Ehren, Hymnen und - als symbolisches Zeichen des Kommandowechsels - der Übergabe der Flagge von Ward an seinen Nachfolger.

Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme

Ward kommt 2006 noch als stellvertretender Befehlshaber des Europa-Kommandos Eucom nach Stuttgart, bevor er 2007 zum ersten Kommandeur des neu geschaffenen Afrika-Kommandos ernannt wird. Wie kaum ein anderer Kommandeur geht er unkonventionell und freundschaftlich mit der deutschen Öffentlichkeit um. Sichtlich bewegt nimmt er von seinem Kommando Abschied: "Auf Wiedersehen", ruft er seinen Gästen auf Deutsch zu. Und General Ham, der Neue, der zuvor Chef des US-Heeres in Europa war, fordert kurz und knapp "afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme".