„Das muss sich zurechtruckeln“, sagte kürzlich Ministerpräsident Kretschmann zu den rückläufigen Anmeldezahlen an den Gemeinschaftsschulen. Tatsächlich stottert und stockt es zum Teil gewaltig. Foto: dpa

Auf dem Rücken von Eltern und Schüler werden in Baden-Württemberg seit Jahren Glaubenskämpfe in der Bildungspolitik ausgetragen, meint unser Kommentator Rainer Wehaus. Bestes Beispiel dafür sei die Gemeinschaftsschule.

Stuttgart - Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Das sagte 1997 Bundespräsident Roman Herzog in seiner berühmten Ruck-Rede. Wenn man sich heute die Lage an Baden-Württembergs Schulen anschaut – der Abstieg in den Vergleichstests, der Niedergang eines Bildungslandes –, dann würde man sich so eine Ruck-Rede auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wünschen. Reden kann er ja.

Kretschmann beschwichtigt

Doch statt einer Ruck-Rede hat Kretschmann Anfang Februar nur eine Ruckel-Rede gehalten. Fünf Jahre Gemeinschaftsschule im Land – der Festakt in Stuttgart geriet zu einem Gipfel der Schönfärberei. Die Gemeinschaftsschulen seien auf einem sehr guten Weg, sagte Kretschmann, von den rückläufigen Anmeldezahlen solle man sich nicht verrückt machen lassen. „So etwas ist nach einem so großen Aufwuchs völlig normal. Da muss sich das natürlich zurechtruckeln.“

Fehler im System

Normal? Zurechtruckeln? Mit Verlaub: Bei den Gemeinschaftsschulen ruckelt es nicht, sondern es stottert und stockt. Das gilt nicht für alle Standorte, aber für viele, insbesondere im ländlichen Raum. Das Herbeifördern der neuen Schulart durch Grün-Rot hat ein Überangebot geschaffen oder es konserviert. Und solange es r Gymnasien und Realschulen gibt – und wer will daran ernsthaft rütteln? – wird die neue Schulart vielerorts nicht viel mehr sein als eine bessere Hauptschule. Höchste Zeit, sich ehrlich zu machen und ein zweigliedriges Schulsystem anzusteuern, wie es zum Beispiel Sachsen hat, das in Sachen Bildung Baden-Württemberg längst überholt hat. Wie diese zweite Schulart neben dem Gymnasium dann heißt, ist nebensächlich. Hauptsache guter Unterricht zum Wohle der Schüler. Auf deren Rücken haben die Bildungspolitiker des Landes nun wahrlich lange genug ihre Glaubenskämpfe ausgetragen.

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de