Kritik an Grün-Rot: Viele Kommunen vermissen beim Thema Schule eine klare Richtung. Foto: dapd

Städtetagspräsidentin Bosch warnt die grün-rote Landesregierung davor, sich zu verzetteln.

Stuttgart - Neue Schulen braucht das Land, meint die grün-rote Landesregierung. Doch viele Kommunen vermissen eine klare Richtung. Der Städtetag hat die Landesregierung aufgefordert, endlich ein Gesamtkonzept vorzulegen.

Die Bickebergschule in Villingen-Schwenningen könnte sofort an den Start gehen. "Bald Gemeinschaftsschule" heißt es auf dem Schild, das Schulleiter Hans-Joachim Bürner anlässlich des Besuchs von Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) am Eingang angebracht hat. Seit über zehn Jahren ist in der Grund- und Werkrealschule individuelle Förderung selbstverständlich.

Bürner spricht lieber vom personenbezogenem Lernen. Im Eingangsbereich diskutieren zwei Neuntklässler miteinander auf Englisch, in der Klasse zehn präsentiert eine Schülerin ihren Mitschülern einen Roman. Obwohl viele Klassenzimmertüren offen sind und auch im Flur Jugendliche sitzen, ist es auffällig ruhig. Die gute Lernatmosphäre spiegelt sich in den Erfolgen. Deshalb lassen manche Eltern ihre Kinder nach der vierten Klasse an der Schule, obwohl sie eine Empfehlung für die Realschule oder das Gymnasium haben. Oberbürgermeister Rupert Kubon (SPD) ist vom Konzept der Ganztagsschule überzeugt, die Stadt finanziert sieben pädagogische Mitarbeiter.

"Schaffung verlässlicher und verständlicher Schulstrukturen"

Auch andere Kommunen sind für längeres gemeinsamen Lernens offen, voraussichtlich 30 Gemeinschaftsschulen werden zum Schuljahr 2012/13 an den Start gehen. Aus Sicht des Städtetags Baden-Württemberg läuft derzeit allerdings nicht alles in die richtige Richtung. "Vordringliches bildungspolitisches Ziel der Landespolitik muss die Schaffung verlässlicher und verständlicher Schulstrukturen sein", mahnte Städtetagspräsidentin Barbara Bosch am Mittwoch. Gemeinsam mit ihren Stellvertretern appelliert die Reutlinger Oberbürgermeisterin an Grün-Rot, zügig ein Schulentwicklungskonzept vorzulegen. Dabei müssten alle Schularten einbezogen werden, auch die Sonderschulen und die beruflichen Schulen. Es reiche nicht, sich auf die Gemeinschaftsschule zu konzentrieren.

Für problematisch hält Bosch unter anderem, dass mit der Gemeinschaftsschule noch eine weiterführende Schulart neben Hauptschule, Werkrealschule, Realschule und Gymnasium entsteht. Immer weniger Schüler auf immer mehr Schularten zu verteilen sei "weder für das Land noch für die Kommunen und die Schulen selbst finanzierbar und tragbar", so Bosch.

Neue Bildungspläne nötig

Mittelfristig müsse das Land "ein stabiles zweigliedriges Schulsystem einführen, das aus dem Gymnasium und einem zweiten Bildungsgang besteht, der ebenfalls den direkten Weg zu allen Schulabschlüssen eröffnet und dadurch bei den Eltern und Schülern einen breite Resonanz findet". Die Mittelschule im CDU-regierten Sachsen belege, dass dies möglich sei. Nötig seien neue Bildungspläne und eine gute Vorbereitung der Lehrer auf die sich ändernden Anforderungen.

Kultusministerin Warminski-Leitheußer wies die Kritik zurück. "Ich bin nicht der Auffassung, dass das Land Schulstrukturen flächendeckend auf dem Reißbrett planen und verändern sollte", sagte sie. Die neue Landesregierung entscheide nicht nach einem starren Konzept von oben nach unten, sondern lasse Entwicklungen vor Ort zu, weil die Gegebenheiten höchst unterschiedlich seien. "Wir setzen auf die Kompetenz in den Städten und Gemeinden, wo sehr genau bekannt ist, wie die Schulen aussehen müssen."

Voraussichtlich in der kommenden Woche wird Kultusministerin WarminskiLeitheußer den Gesetzentwurf für die Gemeinschaftsschule dem Ministerrat vorlegen. Wegen Abstimmungsproblemen im Ministerium und in der grün-roten Koalition war es immer wieder zu Verzögerungen gekommen. Zudem gibt es weitere offene Baustellen, etwa das neunjährige Gymnasium. Weil sich Grüne und SPD wegen der Zahl der Modellschulen uneinig sind, trifft sich am Montag der Koalitionsausschuss.