Die Experten auf dem Podium sind sich einig gewesen: Die Gemeinschaftsschule ist der Foto:  

Vier Experten haben am Dienstagabend im Verwaltungsgebäude in Bad Cannstatt über das neue Schulmodell informiert.

Bad Cannstatt - Für Katrin Steinhülb-Joos gibt es kein ‚weiter so’. „Die Schüler brauchen so viele unterschiedliche Wege, um zum Ziel zu kommen. Das können wir nicht mehr leisten“, sagt die Schulleiterin der Altenburgschule. Die Grund- und Werkrealschule im Hallschlag hat sich als erste Schule im Bezirk auf den Weg macht, Gemeinschaftsschule zu werden.

Bei einer Diskussion am Dienstagabend, 15. Oktober, hatte Steinhülb-Joos nun Gelegenheit zu erklären, warum sich ihre Schule für dieses pädagogische Modell entschieden hat. Neben der Schulleiterin saßen Ulrike Brittinger vom staatlichen Schulamt sowie Valeska Schlosser, Gesamtelternbeirätin und Mutter eines Sohnes, der die erste Stuttgarter Gemeinschaftsschule, die Elise-von-König-Schule in Münster, besucht. Außerdem war Norbert Zeller, der Leiter der Stabsstelle Gemeinschaftsschulen im Kultusministerium, der Einladung des SPD-Kreisverbandes Stuttgart und des Ortsvereins Bad Cannstatt in das Verwaltungsgebäude gefolgt. Die Moderation übernahm die Stadträtin Marita Gröger (SPD).

Horrorszenario für Eltern und Schulen

Diskutiert wurde weniger auf dem Podium und dafür mehr mit den Eltern, Lehrern und Schulleitern im Publikum. Die Experten waren sich einig, dass die Gemeinschaftsschule der „pädagogisch richtige Weg“ sei, wie es Brittinger formulierte. Die Schulamtsleiterin verdeutlichte, welche Auswirkungen der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung für die Schullandschaft gehabt habe. 60 Prozent der Schüler im Stadtgebiet seien in diesem Schuljahr auf ein Gymnasium gewechselt. Weitere 30 Prozent auf eine Realschule und gerade mal acht Prozent der Eltern hätten sich für eine Werkrealschule entschieden. „Wir müssen die Sekundarstufe I in Stuttgart neu ordnen“, sagte Brittinger. Dass die Gemeinschaftsschule hier die richtige Lösung ist, dafür warb Valeska Schlosser. Ihr Fazit nach den ersten fünf Wochen als Mutter eines Gemeinschaftsschülers: „Ich habe ein entspanntes Kind.“

Trotzdem äußerten einige Zuschauer Bedenken. Eine Mutter, deren Sohn nächstes Jahr in die Schule kommt und die im Einzugsgebiet der Altenburgschule wohnt, fragte, inwiefern Kinder aus bildungsnahen Familien an einer Gemeinschaftsschule gefördert werden. Die Antwort von Schulleiterin Steinhülb-Joos: „Gerade gute Schüler können an der Gemeinschaftsschule gefördert werden, weil sie nicht mehr gestoppt werden.“ Ein Vater, dessen Sohn auf eine Gemeinschaftsschule in Esslingen geht, wollte unterdessen von Zeller wissen, was im Falle eines Regierungswechsels passiert. Ob es dann mit der Gemeinschaftsschule vorbei sei. Er sprach von einem „Horrorszenario nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Schulen“. Zeller versuchte zu beruhigen: „Das Rad zurückdrehen, wird nicht gelingen.“ Sollte eine neue Regierung versuchen, die Gemeinschaftsschule abzuschaffen, würde diese nicht nur Probleme mit den Eltern und Lehrern bekommen, sondern auch mit den eigenen Leuten. Er kenne genug Bürgermeister mit CDU-Parteibuch, die sich für diese Schulform engagieren.

Gemeinschaftsschule verlangt von Lehrern viel Engagement

Eine andere Zuschauerin wies daraufhin, dass die Gemeinschaftsschule den Lehrern viel Engagement abverlange. Sie warnte davor, die Pädagogen zu überfordern, sprach von Burnout. An dieser Stelle meldete sich Renate Schlüter, die Leiterin der Elise-von-König-Gemeinschaftsschule, zu Wort: „Ich habe noch nie so viele zufriedene Lehrer gehabt.“ Ob Steinhülb-Joos das in Zukunft auch von ihrem Kollegium sagen kann, wird sich zeigen. Am Mittwoch, 16. Oktober, steht zunächst die Visitation an. Mitarbeiter des Schulamtes, des Schulverwaltungsamtes sowie Elternbeiräte und ein externer Berater machen sich vor Ort ein Bild von der Schule. Gibt das Gremium grünes Licht, hat Steinhülb-Joos mit ihrer Schule einen weiteren Schritt in Richtung Gemeinschaftsschule geschafft.