Die neue Studie zur Gemeinschaftsschule geht alle Schulen an. Foto: dpa

Die neue Studie zur Gemeinschaftsschule geht alle Schulen an, meint Bildungsredakteurin Maria Wetzel.

Stuttgart - Die einen lieben sie, die anderen hassen sie: Die Gemeinschaftsschule, 2012 von Grün-Rot als Schule für mehr Bildungsgerechtigkeit eingeführt, war der Opposition von Anfang an ein Dorn im Auge. Bei der Auseinandersetzung um die neue Schulart geht es um grundsätzliche Fragen, über die Pädagogen seit Jahrzehnten streiten: Kommen Schüler weiter, wenn sie nach der vierten Klasse nach Leistung getrennt werden und in relativ einheitlichen Klassen lernen? Oder erreichen sie mehr, wenn sie in gemischten Gruppen sind, in denen nicht alle zur gleichen Zeit das Gleiche lernen und die gleiche Leistung abliefern müssen?

Wer sich von der Begleitforschung zur Gemeinschaftsschule eine eindeutige Antwort erhofft hat, wird von den Ergebnissen enttäuscht sein. Bei der aufwendigen Studie wurden nicht, wie etwa bei der Pisa-Studie, Leistungen von Schülern an Gemeinschaftsschulen und anderen Schularten verglichen. Vielmehr beobachteten die Wissenschaftler über zwei Jahre hinweg immer wieder Lehrer von 20 Klassen an zehn Gemeinschaftsschulen bei ihrer täglichen Arbeit und überprüften die Auswirkungen auf die Schüler. Ihr Fazit: Es gibt gute und schlechte Gemeinschaftsschulen. Und an den einzelnen Schulen gibt es gute und schlechte Lehrer.

Auf den Lehrer kommt es an – für manchen mag diese Erkenntnis banal klingen. Im Schulalltag ist sie das keineswegs. Wenn Schüler scheitern, wird vonseiten der Schulen gern mangelnde Begabung oder Faulheit dafür verantwortlich gemacht. Wer sich dann nicht mit Unterstützung der Eltern oder dank privater Nachhilfe retten kann, bleibt sitzen oder muss die Schule gar verlassen. Eine Folge dieser Pädagogik ist, dass die Bildungschancen sehr stark von der sozialen Herkunft abhängen. Dass es anders gehen kann, zeigen Schulen im In- und Ausland, die auf individuelle Förderung setzen.

Auch die Gemeinschaftsschulen schreiben individuelle Förderung groß – für schwache wie starke Schüler und auch Schüler mit Behinderungen. Allerdings reicht guter Wille allein nicht – es braucht kompetente Lehrer, die wissen, wie sie diese erreichen können. Die gute Nachricht der Studie lautet: Die Mehrheit der Schulen ist auf einem guten Weg. Die schlechte: Einige Schulen und Lehrer sind mit dieser Aufgabe offenbar überfordert. Damit die neue Schulart überall und auf Dauer Erfolg hat, brauchen Schulleiter und Lehrer mehr Unterstützung. Sie benötigen Fortbildungen und auch Entlastung – einen Großteil der Unterrichtsmaterialien mussten sie bisher selbst erarbeiten, weil es anfangs kaum etwas gab. Inzwischen hat sich das gebessert, mit den neuen Bildungsplänen und neuen Schulbüchern erhalten sie mehr Klarheit. Sie brauchen aber auch Anerkennung für ihre Pionierarbeit.

Vielfalt in den Klassen nimmt zu

Dass sich Lehrer an Gemeinschaftsschulen zwei Jahre lang bei ihrer Arbeit über die Schulter blicken ließen, verdient größten Respekt. Die Studie hält keine Sensationen bereit, aber wichtige Hinweise, die alle Schularten zur Kenntnis nehmen sollten. Denn nicht nur an den Gemeinschaftsschulen, sondern auch an den Realschulen und den Gymnasien wird die Vielfalt in den Klassen immer größer. Die gesellschaftlichen Veränderungen machen vor den Schultoren nicht halt – ob das Lehrern und Eltern gefällt oder nicht. Das stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Eine Rückkehr zum alten dreigliedrigen System ist weder machbar noch sinnvoll. Trotz vieler Rettungsversuche hat die Haupt-/Werkrealschule schon zu Zeiten der CDU-FDP-Koalition ihre Akzeptanz verloren. Die Gemeinschaftsschule eröffnet neue Wege, um alle Talente zu fördern – vorausgesetzt sie findet den nötigen Rückhalt.

m.wetzel@stn.zgs.de