Sabine Otlinghaus, Regine Sanzenbacher und Kristina Botero (von links) setzen auf Gemeinschaft. Foto: factum/Granville

Weg von Einzel- hin zu Gemeinschaftspraxen: Diesem Trend folgen auch Ärztinnen in Korntal. Ihnen geht es wie vielen anderen jungen Medizinern darum, Beruf, Familie und Freizeit unter einen Hut zu bekommen.

Korntal-Münchingen - Männlich, über 50, Einzelkämpfer: Diese Attribute treffen vielerorts auf Hausärzte zu. Auch in Baden-Württemberg ist der durchschnittliche Hausarztälter als 55 Jahre, und mehr als zwei Drittel führen ihre Praxis allein. Gleichwohl befindet sich der Beruf im Umbruch. Junge, häufig weibliche Ärzte haben kein Interesse mehr am Hausarztdasein wie es früher war. Stattdessen wünschen sie sich Flexibilität, brauchen und wollen Zeit für Familie und Freizeit und scheuen sich oft davor, die Verantwortung für eine Praxis zu schultern.

Auch Sabine Otlinghaus und Regine Sanzenbacher setzen auf die Arbeit im Team. Gemeinsam mit der angestellten Ärztin Kristina Botero haben sie vor Kurzem ihre renovierte Praxis in Korntal neu eröffnet. Die hat Otlinghaus nach einer Familienpause von Joachim Brehm übernommen. „Ich wollte es aber nicht allein machen“, sagt Otlinghaus mit Verweis auf ihre vier Kinder und die nötige Verwaltungsarbeit, neben der die Sprechstunde „nur die Spitze des Eisbergs“ sei. Durch ein Inserat stieß sie auf Sanzenbacher, Anfang des Jahres eröffneten sie die Gemeinschaftspraxis. Beide Ärztinnen haben ihren Facharzt, die Voraussetzung für eine kassenärztlich zugelassene Tätigkeit, erst spät gemacht, nach der Kinderpause, und beide kennen die Doppelbelastung, die aus Berufstätigkeit und Familie resultiert.

Otlinghaus und Sanzenbacher haben gezögert, den Schritt einer eigenen – gemeinschaftlichen – Praxis überhaupt zu gehen. „Es ist ein Wagnis“, sagt Otlinghaus. „Viele jüngere Kollegen wollen lieber angestellt sein“ – und damit zumindest einigermaßen geregelte Arbeitszeiten haben.

Von der 100-Stunden-Woche zum Teilzeit-Modell

Beide Ärztinnen arbeiten nicht voll, sind an bestimmten Tagen oder Tageszeiten nicht da. „Wenn jemand Teilzeit gearbeitet hat, wurde früher die Nase gerümpft“, sagt Sanzenbacher. „Ein Arzt musste immer da sein.“ Mit dem Resultat, dass viele – so, sagt Otlinghaus, wie ihr Vorgänger Brehm – bis zu 100 Stunden in der Woche gearbeitet haben.

„Das ist eine Generationenfrage“, sagt Sanzenbacher – und die jungen Kollegen haben vielerorts die Qual der Wahl. Otlinghaus ist sich sicher: „Nur der Verbund ist zukunftsfähig.“ Das sieht Kai Sonntag, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, ähnlich: „In einigen Jahren wird nur noch jede zehnte Praxis eine Einzelpraxis sein.“ Für jeden eignet sich das Modell Gemeinschaftspraxis laut Otlinghaus und Sanzenbacher jedoch nicht: Es funktioniere nur, wenn die Beteiligten Teamplayer sind – und ihre Arbeit weitgehend auf demselben medizinischen Verständnis beruhe.