Die 17 „Nager“ auf einem Bild. Die vier Familien sind stolz auf das Geleistete. Endlich wohnen sie in ihrem gemeinsamen Haus. Foto: z

In Kaltental haben sich vier Familien den Traum einer Wohngemeinschaft im großen Stil erfüllt. Vier Ehepaare und neun Kinder wohnen dort nun zusammen. Bisher ziehen die Mitglieder der Nachbargemeinschaft „Nage“ eine positive Bilanz.

S-Süd - Der Weg war hart, kräftezehrend, manchmal frustrierend. Psychisch und physisch hat die Aufgabe die acht Erwachsenen an ihre Grenzen getrieben. Aber sie haben es geschafft, sie sind eingezogen und sind „glücklich und zufrieden“, sagt Katharina Karle. Die Rede ist von der Nachbargemeinschaft (Nage) in Kaltental. Das sind vier Ehepaare mit neun Kindern, die dort ihren Traum leben: gemeinschaftliches Bauen und Wohnen.

Mit Do-it-yourself zum Mehrgenerationenhaus

Martin Bos ist mit 51 Jahren der Hausälteste der „Nager“. Das jüngste Mitglied ist knapp ein Jahr alt und kam zur Welt, als die Bauarbeiten schon im Gange waren. Seinen offiziellen Start hatte das Projekt am 12. Dezember 2012. „An diesem Tag haben wir den Kaufvertrag unterschrieben“, erzählt er. Das Haus war aus den 50er-Jahren; im Erdgeschoss befand sich ein leer stehender Getränkemarkt. Nach dem Umbau gibt es dort nun vier separate Wohnungen sowie gemeinschaftlich genutzte Räume wie etwa den Waschraum oder eine Werkstatt. Das Haus ist energetisch auf dem neuesten Stand; Energie und Strom wird durch Erdwärme und Solarzellen gewonnen.

„Was wir selbst machen konnten, haben wir selbst gemacht“, erzählt Martin Bos. Bei allen Arbeiten haben die Nage-Mitglieder sich gegenseitig unterstützt, keiner schaffte alleine in seiner Wohnung vor sich hin. „In der Bauphase sind wir zusammengewachsen“, erzählt Katharina Karle. Man habe sich ja vorher nicht gekannt. Gefunden haben sich die vier Familien über den Wohngemeinschaftstag und über Kontaktanzeigen in der Zeitung.

Bevor es tatsächlich losging, gab es eine lange Phase der Suche mit wechselnder Beteiligung von verschiedenen Familien, bis endlich das passende Objekt und die passende Konstellation gefunden war. Seit Ende April sind nun alle vier Familien eingezogen. Ganz fertig ist das Haus aber noch nicht. Hier und da muss noch gefugt werden, dort fehlen noch Lampen, die Stellplätze vor dem Eingang sind noch nicht fertig, und der Garten sieht aus wie ein Schlachtfeld – was den Kindern freilich gefällt. Sie dürfen im Dreck spielen.

Die Kinder haben viele Spielkameraden

Nach einigen Wochen des Zusammenwohnens zieht Katharina Karle ein positives Fazit: „Wir sind jetzt nicht mehr nur eine Baugemeinschaft, sondern eine Wohn- und Lebensgemeinschaft“, sagt sie. In der großen WG hat jeder seine separate Wohnung. Doch tagsüber stehen die Türen meist offen – ein Zeichen, dass man hereinkommen kann. So entwickle sich ständig etwas, erzählt sie. „Mal hat einer was zu essen übrig und lädt den andern ein, man unterhält sich im Treppenhaus, oder man sitzt im Garten zusammen. Die Chance liegt im Spontanen.“ Und für die Kinder sei es sowieso eine gewinnbringende Situation, die fänden immer Spielkameraden, erzählt sie. „Es ist eine Gemeinschaft, die man sich als Einzelfamilie nicht vorstellen kann“, beschreibt Bos. Dafür muss man allerdings auch geschaffen sein, das ist klar. Alle acht Erwachsenen haben zuvor in WGs gelebt – haben also genügend Erfahrungen im Zusammenwohnen mit anderen gesammelt. Und haben diese Art zu leben vermisst, so erzählt es Karle. Sie und ihr Mann haben sich irgendwann gefragt: Geht das nicht auch mit Familie? Ein weiterer Grund ist der ökologische und ökonomische Faktor. „Das war entscheidend für uns“, sagt Bos.

Toleranz und Durchhaltevermögen ist jedoch gefragt

Während des Baus „gab es natürlich Höhen und Tiefen“, sagt Karle. Die Baugemeinschaft sei aber stets bereichernd für sie gewesen. „Hatte einer eine Krise, hat der andere ihn ermutigt und umgekehrt“, erzählt sie. „Alle waren sehr motiviert.“ Die Organisation von allem sei gar nicht so einfach gewesen, erzählt Bos. „Wir haben regelmäßig Telefon-Konferenzen abgehalten, wenn die Kinder geschlafen haben.“ Einer habe moderiert, einer protokolliert. Das habe sehr geholfen. Was sie eventuellen Nachahmern empfehlen? „Man braucht zum Zusammenleben Durchhaltevermögen, Toleranz und eine gute Kommunikationsfähigkeit. Außerdem muss man Kritik vertragen können“, sagt Bos. Karle fügt hinzu: „Und man muss flexibel und offen sein und darf nicht zwanghaft wollen.“