Eine Reise mit dem Flugzeug ist ein Erlebnis, belastet die Umwelt aber extrem. Foto: dpa

Für seine Informationsfahrt nach Hamburg wählt der Gemeinderat der mit dem European Energy Award in Silber ausgezeichneten Stadt Waiblingen das Flugzeug. Das Schorndorfer Gremium steuert ähnlich ferne Ziele an, fährt aber stets mit dem Bus.

Waiblingen - Keine Frage: die Stadt Waiblingen engagiert sich für den Klimaschutz. Erst im Februar hat der Umweltminister Franz Untersteller der Kommune den European Energy Award (EEA) in Silber verliehen. Mit der Auszeichnung dürfen sich Kommunen schmücken, die nachweisen können, dass sie sich ganz besonders für den Schutz des Klimas ins Zeug legen. Waiblingen hat den Energy Award in Silber bereits zum vierten Mal erhalten. Das nächste Ziel sei Gold, hieß es nach der jüngsten EEA-Rezertifizierung. Zudem solle bis zum Jahr 2030 der Kohlendioxid-Ausstoß je Einwohner von 8,2 auf 4,7 Tonnen pro Jahr reduziert werden.

Eine Reise des Gemeinderats am Wochenende trübt jedoch die positive Bilanz. Denn das Ziel dieser Informationsfahrt, Hamburg, steuert die Reisegruppe per Flugzeug an. Nicht eben eine klimapreisverdächtige Variante des Reisens. „Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen“, liest man etwa auf der Internetseite des Umweltbundesamtes, das für innerdeutsche Reisen Transportmittel wie Bus und Bahn empfiehlt.

Hesky: „Der Zug braucht deutlich länger“

Bemüht man einen der zahlreichen Kohlendioxid-Rechner im Internet, so liegt die Kilozahl des bei einer Flugreise von Stuttgart nach Hamburg und zurück entstehenden Kohlendioxids irgendwo zwischen 320 und 440 Kilogramm pro Person, jeweils abhängig vom Typ des Flugzeugs. Ein Jahr Autofahren, rund 12 000 Kilometer, erzeugt 2000 Kilo Kohlendioxid. Bei 32 Gemeinderätinnen und -räten führt die Reise zu einer Bilanz von zwischen 10,2 und 14,1 Tonnen erzeugten Kohlendioxids. Zum Vergleich: eine Zugfahrt schlägt mit 50 Kilo pro Person zu Buche, was 1,6 Tonnen für eine 32-köpfige Gruppe bedeuten würde.

Mit der Frage des Verkehrsmittels habe sich der Gemeinderat im Januar vor der Buchung befasst, erklärt der Oberbürgermeister Andreas Hesky auf Nachfrage. „Der Zug braucht deutlich länger“, argumentiert Hesky, der wie einige Fachbereichsleiter ebenfalls mit von der Partie ist. Dadurch, dass man sich am Freitag sehr früh mit dem Flieger auf den Weg mache, stehe in Hamburg ein ganzer Arbeitstag zur Verfügung. Die Teilnehmer investierten ein Wochenende für die Reise, die bewusst so organisiert sei, dass sie viele Inhalte habe. „Deshalb glaube ich, dass es richtig ist zu fliegen.“ In Hamburg selbst werde man ausschließlich mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs sein.

Thema Stadtentwicklung zieht Gremium nach Hamburg

Bei den Informationsfahrten, die traditionell einmal pro Legislaturperiode auf dem Programm stehen, greife man aktuelle Themen der Kommunalpolitik auf. Während sich in der Vergangenheit zum Beispiel Reisen nach Berlin und Bremen der Verkehrspolitik und der Energiepolitik gewidmet hätten – auch diese beiden Ziele wurden mit dem Flugzeug angesteuert – sei nun die Stadtentwicklung das Thema. Auch vor dem Hintergrund der für 2027 in der Region geplanten Internationalen Bauausstellung (IBA) wolle man erkunden, „wie Hamburg eine IBA bewältigt hat“. In der Hafenstadt hatte die Bauausstellung von 2007 bis 2013 stattgefunden. Führungen und Expertengespräche sind übrigens auch bei vergleichbaren Fahrten des Schorndorfer Gemeinderats üblich. Das Gremium reiste im Jahr 2009 nach Berlin, 2012 nach Brüssel – allerdings nach den Angaben von Sonja Schnaberich-Lang, die die Geschäftsstelle des Gemeinderats leitet, „ausschließlich mit dem Bus direkt ab Schorndorf“.

Kommentar: Mehr Umweltbewusstsein, bitte!

Waiblingen - Eins vorneweg: an einer Reise des Gemeinderats in den hohen Norden vor dem Ende der Legislaturperiode ist nichts auszusetzen. Zum einen, weil der Blick über die Stadtgrenzen hinaus den Horizont erweitert und jede Stadt gut informierte Rätinnen und Räte verdient. Zum anderen, weil die Mitglieder solcher Gremien ein komplexes Ehrenamt versehen, das viel Zeitaufwand und nicht immer vergnügungssteuerpflichtige Sitzungen mit sich bringt. So weit passt also alles.

Bei der Wahl des Transportmittels allerdings kann man dem Waiblinger Gemeinderat für die Zukunft zu etwas mehr Klimabewusstsein raten. Mit welchen Verkehrsmitteln die Ratsmitglieder ihre Privatreisen unternehmen, geht niemanden etwas an. Doch sind sie als offizielle Vertreter der Stadt und ihrer Bürgerschaft unterwegs, dann sollten sie auch im Hinblick auf den European Energy Award, mit dem sich die Kommune schmückt, Vorbildfunktion übernehmen und nicht per Billigflieger reisen, wenn die Strecke durchaus mit der Bahn machbar ist. Umso mehr, als ein Vergleich zeigt, dass man für die Flugreise von Haustür zu Hoteltür, Sicherheitskontrollen und Zeitpuffer eingerechnet, gut 4,5 Stunden Reisezeit annehmen muss. Mit dem ICE dauert die Fahrt von Waiblingen über Stuttgart nach Hamburg rund sechs Stunden und erspart der Umwelt mehrere Tonnen Kohlendioxid.

Dass man auch ohne Flieger weiter weg reisen kann, beweist das Beispiel Schorndorf. Vielleicht macht sich der im Mai 2019 neu gewählte Waiblinger Rat ja künftig auch per Bus oder Bahn auf den Weg. Kleiner Tipp: für schon gebuchte Flüge gibt es die Möglichkeit, diese durch eine Spende für ein Klimaschutzprojekt kompensieren.