Das Neubaugebiet Gartenäcker in Gültstein wird erschlossen – trotz eines anhängigen Verfahrens. Zwei Anwohner haben Klage eingereicht.
Der Weg zum neuen Baugebiet Gärtenäcker im Herrenberger Teilort ist mit „holprig“ nett umschrieben: Ausgehend vom Beschluss, dieses gut drei Hektar große Gebiet am südöstlichen Ortsrand mit höchster Priorität zu entwickeln, sind bis zum beschlossenen Bebauungsplan mehr als zehn Jahre ins Land gezogen. Mehrere Planungsrunden, viele Gutachten sowie personelle Engpässe in der Verwaltung hatten ebenso zu Verzögerungen geführt wie umfangreiche archäologische Rettungsgrabungen. In dem Areal gab es frühmittelalterliche Siedlungsfunde, wie unsere Zeitung berichtete.
Die jüngste Unwägbarkeit, mit der die Stadtverwaltung konfrontiert wird, ist rechtlicher Natur: Nachdem der Bebauungsplan am 24. November 2022 durch Bekanntmachung in Kraft getreten war, konnten ein Jahr lang Rechtsmittel eingelegt werden – von diesem Recht machten dann auch zwei Anlieger Gebrauch: Am Abend vor Fristende sei beim baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einen Normenkontrollantrag eingegangen, der das Ziel habe, den Bebauungsplan aufzuheben, wie Oberbürgermeister Nico Reith in der jüngsten Gemeinderatssitzung informierte.
Da dieser Antrag keine aufschiebende Wirkung habe, könnte die Erschließung des Gebiets trotzdem beauftragt und durchgeführt werden – die Jettinger Baufirma Strohäker hat mit 3,2 Millionen Euro das günstigste Angebot dafür abgegeben. Ein Eilantrag durch die Kläger, der jederzeit erfolgen könnte, hätte jedoch einen sofortigen Baustopp zur Folge. Die Bietigheimer Wohnbau GmbH, die von der Stadt mit der Grundstücksneuordnung und der Erschließung betraut wurde und damit die Baufirma beauftragen müsste, möchte dieses Risiko, das unter anderem mögliche Schadensersatzansprüche der Baufirma beinhaltet, nicht tragen. Da das Risiko aufgrund verschiedener Faktoren nicht exakt zu beziffern sei, sei die Stadtverwaltung in ihrer Risikoabwägung zu dem Schluss gekommen, dass auch die Stadt aufgrund der angespannten Haushaltslage die Haftung nicht übernehmen und den Ausgang des Verfahrens abwarten sollte, so Nico Reith weiter. Dass der Bebauungsplan grundsätzlich infrage gestellt werde „halten wir für unwahrscheinlich“.
Die weitere Verzögerung für die zahlreichen Bauwilligen – die Stadt rechnet mit einem Verzug von mindestens 1,5 Jahren – wollte die Mehrheit der Gemeinderäte, wie auch schon der Gültsteiner Ortschaftsrat nicht in Kauf nehmen. Bei mehreren Enthaltungen, aber ohne Nein-Stimmen, votierte das Gremium, die Haftung zu übernehmen. Diese würde, wenn die Stadt die Aufgaben nicht an ein externes Büro vergeben hätte, sowieso bei ihr liegen, hatte Gültsteins Ortsvorsteher Gerhardt Kauffeldt zuvor argumentiert. Demnach hat die Verwaltung nun den Auftrag, die Bietigheimer Wohnbau von der Haftung für die Ausschreibung freizustellen. Dies steht allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass die Rechtsaufsicht keine Einwände gegen dieses Vorgehen hat.
Verwaltung will mit Anliegern Kontakt aufnehmen
Da Dieter Haarer (CDU) mit seinem Vorstoß, die Abstimmung aufgrund des vorhandenen Risikos auf eine Sondersitzung zu vertagen und vorher das Gespräch mit den Antragstellern zu suchen, keinen Erfolg sah, ließ er nicht darüber abstimmen. Allerdings soll die Verwaltung jetzt mit den beiden Anliegern Kontakt aufnehmen, mit den Ziel, eine einvernehmliche Lösung zu finden – diesen Auftrag bekam sie nämlich von den Räten mit auf den Weg. Bei Wortbeiträgen aus deren Reihen wurde deutlich, dass ein Spiel auf Zeit hinter der Klage vermutet wird.