Die AfD konnte in Stuttgart bei der Kommunalwahl 2024 trotz Auflösungserscheinungen in der alten Fraktion einen Sitz hinzugewinnen. Nun zeigen sich erneut Risse.
Wenige Tage vor der Generaldebatte zum Doppelhaushalt 2026/2027 verliert die Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) im Stuttgarter Stadtparlament ein Mitglied und schrumpft von fünf auf vier Köpfe. „Wir sind nicht im Guten auseinandergegangen“, kommentiert Fraktionschef Michael Mayer den Abgang des Parteikollegen.
Mayer sah sich am Dienstagmorgen in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Technik provoziert. Sein Fraktionskollege Thomas Rosspacher habe ihm am Vorabend mitgeteilt, dass er sowohl die AfD-Fraktion verlasse als auch aus der Partei austreten werde. Zwölf Stunden später saßen beide im Gemeinderatsausschuss nebeneinander. Mayer sah sich genötigt, dem Gremium den Austritt von Rosspacher kundzutun. Der will sein Mandat, mit dem 1900 Euro monatliche Aufwandsentschädigung verbunden sind, nicht abgeben. Als Einzelstadtrat wird er keinem Ausschuss mehr angehören können. Dazu müssen nun aber erst die Ausschusssitze neu verteilt werden. Eine „Umbesetzungsvorlage“ sei in Arbeit, so die Auskunft der Stadtverwaltung, und solle im Dezember verabschiedet werden. Bis dahin bleibe die jetzige Sitzverteilung bestehen.
Anzeige wegen Volksverhetzung
Rosspacher (53) war bei der Kommunalwahl 2024 auf Platz drei der AfD-Liste in das Stadtparlament eingezogen. Die Partei verbesserte sich von 6,1 auf 8,3 Prozent und erreichte damit fünf statt zuvor vier Sitze. In Cannstatt betreibt der 53-jährige Rosspacher als Kfz-Sachverständiger ein eigenes Büro. Im Wahlkampf sorgte seine Plakatkampagne mit der Aussage „Schnelle Remigration schafft Wohraum“ für Aufregung. Der Linke Luigi Pantisano, damals Stadtrat und heute Bundestagsabgeordneter, zeigte ihn wegen Volksverhetzung an. Die Staatsanwaltschaft sah allerdings keine ausreichenden Gründe für ein Ermittlungsverfahren. Der Tatbestand der Volksverhetzung sei nicht erfüllt, vor allem, weil die Plakate außer Rosspachers Konterfei keine Gestaltungselemente enthielten, mit denen über den Slogan hinaus „auf den Intellekt oder die Gefühle der Betrachter eingewirkt werde“.
Kein Mandat für den Hafen
Mit der Bildung des neuen Gemeinderates war im September 2024 auch die Besetzung von Aufsichtsräten und Beiräten verbunden. Auf Initiative von Stadtrat Christoph Ozasek (Puls), der auf die fremdenfeindliche Forderung von Rosspacher im Wahlkampf verwies, erhielt dieser kein Mandat bei der Hafen Stuttgart GmbH, allerdings bei der SSB, was Ozasek auch verhindern wollte. Rosspacher sei als „Spaniel-Protegé“ weit nach vorn auf die Kommunalwahlliste gekommen, sagt Mayer. Dirk Spaniel war Sprecher des AfD-Landesverbandes und Bundestagsabgeordneter, bei der Listenaufstellung zum Bundestag unterlag er und verließ die AfD, die ein Ausschlussverfahren eingeleitet hatte. Heute ist er bei der Werteunion, zu der laut dieser auch Rosspacher wechselt. Mayer sagt, Rosspacher neige zu einem „erratisch irrationalem Verhalten“, seine Versuche, ihn in die Fraktion einzubinden, seien gescheitert. Er bedauere die Entwicklung. Mayer spricht von einem „Ende mit Schrecken“.
Mandat geht der AfD verloren
Dass Rosspacher sein über die AfD erworbenes Mandat nicht niederlege, sondern als Einzelstadtrat im Gemeinderat bleiben wolle, führe dazu, „dass wir die Position nicht nachbesetzen können“. Rosspacher äußerte sich auf mehrfache Nachfragen unserer Redaktion nicht. Mit nun vier Sitzen behält die AfD ihren Fraktionsstatus, mit dem auch maßgeblich die Finanzierung der Fraktionsgeschäftsstelle verbunden ist.