Auch im Stuttgarter Gemeinderat stellen Frauen nur 22 von 60 Mitgliedern. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In den meisten Gemeinderäten sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?

Filder - Die Zahlen sprechen die deutlichste Sprache. Im Filderstädter Gemeinderat sitzen aktuell elf Frauen – von 32 Mitgliedern. Das ist etwa ein Drittel. Ähnlich sieht es in Steinenbronn aus, mit fünf Frauen bei 14 Gemeinderäten. In Waldenbuch sind es schon die Hälfte, nämlich neun von 18 Stadträten, die Frauen sind, in Leinfelden-Echterdingen aber schon die Mehrheit, nämlich 14 von 26 Stadträten sind Frauen. Am 26. Mai 2019 ist Kommunalwahl in Baden-Württemberg – es bleibt abzuwarten, wie sich die Wahl auf den Frauenanteil in den Gremien auswirken wird.

„Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert, die Kommunalpolitik ist immer noch patriarchalisch geprägt“, sagt Susanne Omran, die Referentin für Bürgerbeteiligung und Chancengleichheit der Stadt Filderstadt. „Frauen sollten aber in dieser Demokratie anteilig vertreten sein, wie sie auch in der Bevölkerung vertreten sind.“ Dabei betont sie: „Es geht nicht darum, dass Frauen die besseren Kommunalpolitikerinnen sind, sondern darum, Entscheidungen vielfältiger zu betrachten, aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln – Mann, Frau, jung, alt, arm, reich.“ Chancengleichheit und Gleichberechtigung, so Omran, könne es in Familien nur geben, wenn die Strukturen es ermöglichen. Und über die entscheide eben auch der Gemeinderat. Warum ist es aber so, dass Frauen in vielen politischen Gremien die Minderheit darstellen?

Die Sitzungskultur muss sich ändern

Susanne Omran sieht die Problematik unter anderem bei der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch Edeltraud Herrmann, Stadträtin und Omrans Vorgängerin als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, sagt: „Frauen sind eingespannt mit Job, Familie, Kindern, eventuell noch der Pflege der Eltern. Da tun sie sich mit der zusätzlichen Belastung durch ein politisches Amt schwer.“ Zwar würden die Unternehmen flexibler, auch was das Arbeiten von zuhause aus angehe, „aber im politischen Bereich sind die Sitzungstermine fest.“ Elaine Rauhöft, Stadträtin in Waldenbuch, sagt: „Es geht so viel Zeit für die Sitzungen und das Lesen und Vorbereiten der Unterlagen drauf.“ Vor allem eben auch, wenn man die Aufgabe ernst nehme: „Du bist gewählt, du trägst Verantwortung, du musst da hin“, so beschreibt es Rauhöft. Es sei kein Sportkurs, den man eben ausfallen lasse, wenn es zuviel wird.

Darum fordert Susanne Omran: „Es braucht eine neue Arbeits- und Organisationsstruktur vonseiten der Parteien und der Verwaltung.“ Es gebe so viele Termine: Ausschüsse, Gemeinderat, Fraktionssitzungen, Verwaltungssitzungen, Stadtteilkonferenzen. „Man darf sich da nichts vormachen: Will man als Frau in die Politik, muss der Partner das mittragen“, sagt Omran. Um die Sitzungskultur zu verändern, brauche es mehr Digitalisierung, mehr Kinderbetreuung, mehr Pflegebetreuung. Susanne Omran führt aus: „Wäre eine Kinderbetreuung nicht auch bei Workshops oder Sitzungen möglich? Und mit den selben Erziehern und Betreuern, damit es keinen ständigen Wechsel gibt, sondern Verlässlichkeit?“

Die Hoffnung auf Parität bei den Kommunalwahlen

Céline Kühnel ist mit 25 Jahren das jüngste Mitglied im Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen. Sie macht noch einen anderen Grund aus, warum Frauen nicht häufiger in der Politik vertreten sind. „Ich glaube, Frauen trauen sich oft nicht“, sagt sie. „Doch sie interessieren sich garantiert nicht weniger für Politik als Männer.“ Aber oft sei es so, dass das „letzte bisschen Mut“ fehle, um sich für ein politisches Amt aufstellen zu lassen. Das erlebe sie auch in ihrem Bekanntenkreis. „Wir Frauen sollten uns untereinander ermutigen“, sagt Kühnel, „nach dem Motto: Ich schaffe das, dann schaffst du das auch“. Eine gute Möglichkeit sei auch, sich zunächst in einer Partei zu engagieren, ohne Amt. „Das gibt dann Rückenwind“, meint Kühnel – und den Mut, vielleicht doch einmal ein politisches Amt in Erwägung zu ziehen.

„Als ich angefangen habe als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte“, erinnert sich Edeltraud Herrmann, „da waren zwei Frauen im Filderstädter Gemeinderat. Jetzt sind wir schon bei elf. Ich hoffe natürlich auf eine Parität bei der nächsten Wahl.“ Sie ergänzt: „Als Frau hat man ja auch, wenn man nicht selbst zur Wahl steht, immer die Möglichkeit, Frauen zu wählen.“ Bei Kommunalwahlen könne man ja auch kumulieren und panaschieren, also Kandidaten mehr als eine Stimme geben sowie Kandidaten von anderen Listen übertragen.