Immobilien sind günstiger als vor einem Jahr – doch steigende Kreditzinsen bremsen die Nachfrage. Die genossenschaftlichen Geldinstitute im Kreis stellen sich auf veränderte Bedingungen ein. „Die Zeiten, in denen Geld nichts gekostet hat, sind vorbei“, sagt ihr Sprecher Heinz Fohrer.
Sparen und Häuslebauen – für Menschen in der Region sind das offenbar weiterhin wichtige Tugenden. In beide Bereiche sei zuletzt jedoch Bewegung gekommen, stellten die Vertreter der Bezirksvereinigung der Volks- und Raiffeisenbanken, der sieben genossenschaftliche Geldinstitute im Kreis Esslingen angehören, fest. Die Zinsen für Sparer würden wohl absehbar auf dem derzeitigen Niveau bleiben, meint Heinz Fohrer, der Vorsitzende der Vereinigung. Auch die Zinsen bei Baufinanzierungen würden voraussichtlich in den nächsten Monaten zunächst nicht weiter steigen. Aber: „Die Zeiten, in denen Geld nichts gekostet hat, sind vorbei.“
Wohnraum wird günstiger
Nach vielen Jahren riesiger Nachfrage habe sich die Lage bei den Wohnimmobilien beruhigt, so Fohrer, der auch Chef des größten genossenschaftlichen Instituts im Landkreis, der Volksbank Mittlerer Neckar, ist. Aufgrund des rückläufigen Kaufinteresses hätten sich die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen wieder normalisiert. Eine De-luxe-Immobilie in einer 1-a-Lage habe zwar nach wie vor ihren Preis, doch Wohnraum mit energetischen Defiziten in den Randlagen könne um bis zu 15 Prozent günstiger als noch vor einem Jahr erworben werden. Gründe für die Trendwende auf dem Immobilienmarkt sieht Fohrer in der Unsicherheit und der Zurückhaltung vieler Verbraucher bei größeren Geldausgaben sowie in den gestiegenen Lebenshaltungskosten und in der hohen Inflation.
Maßgeblich seien aber auch die veränderte Zinspolitik der Europäischen Zentralbank sowie die steigenden Bauzinsen und -kosten. Die Bauinvestitionen gingen zurück. Das Ziel der Ampelkoalition, 400 000 neue Wohnungen zu schaffen, sei daher schwer zu erreichen, sagt Volker Schmelzle, der Chef der Volksbank Plochingen und stellvertretende Vorsitzende der Bezirksvereinigung. Er sieht die Politik in der Pflicht: „Die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Kapazitäten im Wohnungsneubau sind richtig, sie reichen aber nicht aus.“ Er fordert daher eine Förderung für energetische Sanierungen, eine Ausweitung der Förderprogramme für KfW-Energieeffizienz und längere Zinsbindungen von 15 bis 20 Jahren.
Stabile Zinsen für Sparer
Bei den Zinsen für Sparer rechnet Karlheinz Pitter, Vorstand der Bernhauser Bank und ebenfalls Vizechef der Bezirksvereinigung, mit einem stabilen Niveau. Die Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche auf drei Prozent und der ab März geplante Abbau ihrer Bestände an Staatsanleihen seien zu begrüßen: „Mit der Rückführung der Anleihebestände erhöht die EZB in den kommenden Jahren das Angebot am Anleihemarkt, was zu einem Aufwärtsdruck auf die Zinsen führen wird.“ Die Abkehr von der Niedrigzinspolitik komme aber zu spät, zu schnell und zu stark, beklagt Pitter. Er und seine Kollegen raten Bankkunden, mehrere Anlagemöglichkeiten zu nutzen und das Anlagevermögen breit zu streuen.
In anderen Bereichen tun sich die Banker schwer mit Prognosen. Zukunftsperspektiven glichen dem unsicheren Blick in die Glaskugel, seien sie doch von dem Verlauf des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der Gasversorgungslage im kommenden Winter und der Situation in China abhängig. Allerdings hält Schmelzle den Höhepunkt der Inflation und der Engpässe bei den Lieferketten für überschritten. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt, also der Wert aller innerhalb eines Jahres produzierten Waren und erbrachten Dienstleistungen, werde 2023 wohl nur um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr sinken und nicht, wie bisher befürchtet, um zwei Prozent. Die Gasspeicher seien gefüllt, die Auftragsbücher der Industrie ebenso und die staatlichen Entlastungen bei den Energiekosten beschlossene Sache.
Neben volkswirtschaftlichen Fragen beschäftigt die Genossenschaftsbanker zunehmend auch ein explosives Thema: Die Sprengung von Geldautomaten, wie sie immer wieder vorkommt, sei eine schlimme Sache. Der verursachte Schaden stehe in keinem Verhältnis zur Beute, meint Fohrer. Denn oft seien die Geldscheine durch die Detonation verbrannt oder zerstört. Zwei Mal seien Geldinstitute im Landkreis Esslingen von solchen Sprengattentaten zuletzt betroffen gewesen – im November auf den Fildern und Ende Januar in Kirchheim-Nabern. Helfen können laut Fohrer eine bessere Überwachung der Geräte, eine Verringerung der dort vorgehaltenen Bargeldmenge und die Verwendung von Farbkartuschen, durch die die Banknoten bei einer Explosion farblich gekennzeichnet werden.
Die Sicherheitsmaßnahmen haben ihren Preis. Und auch die Ausgaben der Geldinstitute für Energie und die IT würden steigen, so Fohrer. Gebührenerhöhungen will er deshalb grundsätzlich auch nicht ausschließen. Aber: „Momentan haben wir keine Preissteigerungen auf der Agenda.“ Auch Filialschließungen oder ein Abbau von Geldautomaten seien absehbar nicht geplant.
Genossenschaftliche Banken im Kreis Esslingen
Banken
Zur Bezirksvereinigung der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Landkreis Esslingen gehören die Volksbank Mittlerer Neckar, die Volksbank Plochingen, die VR-Bank Hohenneuffen-Teck, die Scharnhauser Bank, die Bernhauser Bank, die Volksbank Filder und die Echterdinger Bank.
Personal
Insgesamt beschäftigten die sieben Genossenschaftsbanken im vergangenen Jahr 1139 Menschen. 2021 waren es 1156 Beschäftigte gewesen. Der Personalaufwand ging nach Angaben der Bezirksvereinigung um 3,5 Prozent nach oben. Grund dafür sei eine Tariferhöhung der Mitarbeitergehälter.
Zahlen
Die Bilanzsumme der sieben Genossenschaftsbanken ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro gestiegen. Das Kundenkreditvolumen nahm um 6,9 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro zu. Die Zahl der Mitglieder sank um 0,3 Prozent auf 154 618 Personen. Nach Angaben von Heinz Fohrer, dem Chef der Vereinigung, ist mit einer Dividende zwischen „zwei und wohl eher in Richtung drei Prozent“ zu rechnen.