Immer wieder spähen spezialisierte Gauner ihre Opfer an Geldautomaten aus. Gegen das sogenannte Skimming ist man nicht schutzlos. Es drohen aber auch noch andere Tricks. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie und erfahren Sie, wie Sie sich schützen können. Foto: PPFotodesign.com

Diesmal traf es Kunden der Sparda-Bank: Eine Betrügerbande hat in Stuttgart Geldautomaten manipuliert und die Daten von EC-Karten ausspioniert. Von Südamerika aus wurden Konten geplündert. 100 Opfer zählt die Polizei nach den Weihnachtsfeiertagen.

Stuttgart - Und plötzlich leert sich das Konto wie von Geisterhand. Drei Tage hintereinander. Mal 195 Euro, mal 390, mal 177. Das Geld verschwindet irgendwo in Kolumbien. Die 1400 roten Geldautomaten der Banco Davivienda oder die Geräte der Banco Colmena können nämlich etwas, was in Europa nicht mehr möglich ist: Sie akzeptieren eine Karte mit Magnetstreifen. Mit Geheimzahl spucken sie problemlos Geld aus. Knapp 800 Euro sind es im Fall eines Vaihingers, der damit noch gut bedient ist: Im Durchschnitt haben dieser Tage die Kunden dreier Stuttgarter Sparda-Bank-Filialen 1000 Euro in Bogotá abgebucht bekommen. Unbekannte hatten in Südamerika Karten-Duplikate in die Automaten geschoben.

Über die Stuttgarter Polizei ist dieser Tage eine Welle von Anzeigen geschwappt. „Knapp 100 Geschädigte sind inzwischen bekannt“, sagt Polizeisprecher Jens Lauer, „über die Feiertage sind weitere Meldungen hereingekommen.“ Der Schaden wird auf 100 000 Euro geschätzt.

Ein klarer Fall von Geldautomaten-Manipulation: Die Täter hatten in Stuttgart die Bankomaten mit einem Lesegerät und einer Minikamera bestückt. Die Spione kopierten die Kartendaten aus dem Magnetstreifen, die Minikamera filmte die Eingabe der vier Geheimzahl-Ziffern. Skimming, das Abschöpfen von Daten, wird das Werk der Bankomat-Betrüger bezeichnet.

Neue Technik ist kaum mehr zu erkennen

„Dabei habe ich extra am Eingabeschlitz gerüttelt und keinen Aufsatz festgestellt“, sagt der Betroffene aus Vaihingen. In den nächsten Tagen soll er das Geld von der Bank zurückbekommen. Das sei überhaupt keine Frage, versichert Sparda-Sprecher Günter Przyklenk: „Die Kunden erhalten Ersatz“, sagt er. Außerdem seien Kunden informiert worden, die Kontoauszüge genau zu studieren. Auch die Bank habe das Thema im Auge: „Bei verdächtigen Verfügungen, vor allem aus Südamerika, werden wir superhellhörig“, sagt Przyklenk.

Offenbar haben die Täter eine Achillesferse bei den Sicherheitsvorkehrungen entdeckt. Vor zwei Jahren war es noch ein anderes Bankinstitut, das ins Visier der Bankomat-Gauner geraten war. Damals gab es mehrere Hunderttausend Euro Schaden.

Sparda-Sprecher Przyklenk stellt fest, dass die Täter mit „einer völlig neuen Technologie“ zugeschlagen hätten. Die Lesemodule seien inzwischen so konstruiert, dass sie als Aufsatzgeräte kaum mehr zu erkennen seien. Experten des European ATM Security Teams berichten von hauchdünnen Lesegeräten, die vollständig im Kartenschlitz verschwinden, auch für aufmerksame Automatenbenutzer nicht zu erkennen seien. Die Sparda-Bank reagiert auf die jüngsten Vorkommnisse mit einer Aufrüstung ihrer Geldautomaten: Sicherheitsmodule sollen ihrerseits die Aktivitäten von Spionage-Geräten erkennen – und digitale Zugriffe mit einem Wechselmagnetfeld stören.

Die Stuttgarter Polizei kann der Fahndung nach den Tätern verhältnismäßig entspannt entgegensehen: Nach Einschätzung des stellvertretenden Leiters des Betrugsdezernats, Roland Wiesenthal, dürften die Bankomat-Gauner bereits gefasst sein. Dabei handelt es sich um keine Kolumbianer, sondern um zwei Bulgaren im Alter von 27 und 30 Jahren. Die beiden waren am 15. Dezember ins Netz der Polizei gegangen, als sie in Degerloch eine Filiale der Sparda-Bank ins Visier nehmen wollten. Die Tatverdächtigen wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sie längst in das Blickfeld der Polizei geraten waren. Allerdings noch nicht wegen der aktuellen Stuttgarter Sparda-Serie. Sondern wegen acht anderer Fälle seit Oktober – mit Tatorten in Waiblingen, Karlsruhe, Rastatt und Freiburg.

Meist sitzen die Auftraggeber in Osteuropa

Bei der Festnahme des Duos konnten die Beamten zwei Lesegeräte und zwei Videoleisten sicherstellen. Bei den beiden Beschuldigten dürfte es sich freilich nur um einen Teil einer Bande handeln – was die Geldabhebungen in Südamerika beweisen. Wo die Hintermänner sitzen, ist unklar. Meist sitzen die Auftraggeber in Osteuropa. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Geldabheber auch nur Helfer sind, die das Geld an die Hintermänner transferieren und für ihre Dienste einen kleinen Anteil bekommen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass erwischte Bankomat-Gauner selten mehr als einen Vornamen ihrer Auftraggeber kennen. Oder kennen wollen.

Die jüngste Serie beendet eine längere Phase der Ruhe an der Geldautomaten-Front. Mit dem neuen Kartenchip, der in Europa den Magnetstreifen ersetzt, galt das Problem des Ausspähens als weitgehend gelöst. Den letzten größeren Fall in diesem Jahr gab es im Februar in Ostfildern, Kreis Esslingen, wo eine Bankfiliale im Scharnhauser Park von Geldautomat-Gaunern heimgesucht wurde. Damals war nach ersten Angaben der Polizei ein Schaden von mindestens 10 000 Euro entstanden, als mit den erbeuteten Kartendaten fernab Geld abgehoben wurde – übrigens in Panama.

Ansonsten schienen sich die Täter in diesem Jahr in der Region Stuttgart ausschließlich auf die Geldschlucker-Methode konzentriert zu haben. In verschiedenen Stadtteilen in Stuttgart, aber auch in Fellbach wurden die Geldausgabefächer mit Klebefallen versehen. Die Beute hielt sich dabei allerdings in überschaubaren Grenzen. Außerdem wurden mehrere Verdächtige auf frischer Tat ertappt.