Mit Derivaten wie Put-Optionsscheinen können defensive Anleger ihr Depot absichern. Im Fall eines Kurssturzes der abgesicherten Werte wirkt das wie ein Auffangnetz. Foto: Ilona Trimbacher

Put-Optionsscheine, Knock-out-Zertifikate, Discountzertifikate: Die Welt der Derivate ist groß und komplex. Für jeden, der sich auskennt, ist etwas dabei: vom Zocker bis zum defensiven Anleger, der seinem Depot eine Art Vollkaskoversicherung verpasst.

Stuttgart - Den einen gelten sie als Teufelszeug, die anderen loben sie als Alleskönner des Kapitalmarkts. Wenn die Meinungen über sogenannte Derivate weit auseinandergehen, liegt es häufig daran, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden. Denn die Bandbreite dessen, was sich unter dem Begriff alles tummelt, ist weit. Dem Namen nach sind Derivate abgeleitete Finanzprodukte, deren Wertentwicklungen sich an einem Vermögens- oder Basiswert wie etwa einem Börsenindex oder einer Aktie orientieren. Dabei sind Derivate im eigentlichen Sinne Terminkontrakte, mit denen institutionelle Investoren an einer Terminmarktbörse wie der Eurex in Frankfurt Anlageentscheidungen absichern oder auf eigene Rechnung spekulieren.

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Wenn von Derivaten für Privatanleger die Rede ist, handelt es sich genau genommen um „verbriefte Derivate“, also Wertpapiere, bei denen die Preisbildung an einer Wertpapierbörse erfolgt. Der Preis wird aber wie bei den „echten“ Derivaten nicht nach Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern durch die Kursbewegungen des Basiswerts.

Zwei Kategorien bei Derivaten

„Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den beiden Kategorien Anlagezertifikate auf der einen und Hebelprodukte auf der anderen Seite“, erklärt Holger Schleicher, Leiter des Handels mit verbrieften Derivaten an der Börse Stuttgart. Der Klassiker unter den Anlagezertifikaten ist das Indexzertifikat, bei dem die Wertentwicklung genau der des entsprechenden Index am Aktienmarkt entspricht. Damit stellen Indexzertifikate eine transparente Möglichkeit dar, in einen Börsenindex wie etwa den Deutschen Aktienindex (Dax) zu investieren. „Der Anleger kann sich dann sagen: Ich kaufe den Dax“, sagt Schleicher. Denn legt der Index um ein Prozent zu, steigt auch der Preis des Indexzertifikats um ein Prozent an. Umgekehrt verliert das Zertifikat an Wert, wenn der Index fällt.

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Daneben haben sich Expresszertifikate und Discountzertifikate als Bestseller entpuppt, die Anlegern Renditeaussichten mit einem Verlustpuffer bieten. Läuft alles nach Plan, gibt’s bei einem Expresszertifikat das eingesetzte Kapital plus einer Prämie bereits meist nach einem Jahr zurück. Mit einem Discountzertifikat nimmt man an der Wertentwicklung eines Basiswerts teil, verzichtet aber auf Kurssteigerungen über eine festgelegte Höhe, den Cap, hinaus. Dafür wird der Anleger mit einem Preisnachlass, dem Discount, gegenüber dem aktuellen Börsenkurs belohnt. Selbst wenn der Kurs des Basiswerts seitwärts läuft oder leicht schwächelt, bleiben Discountzertifikate im Plus. Im Gegenzug ist die Rendite per Cap begrenzt – von darüber hinausgehenden Kurssteigerungen können Anleger also nicht profitieren.

Vielfältige Möglichkeiten der Risikosteuerung

Wem derartige Risiken immer noch zu hoch sind, für den kann sich ein Kapitalschutz- oder Garantiezertifikat eignen. Hier gibt es auch bei negativer Marktentwicklung am Laufzeitende den Nennwert zurück. Liegt allerdings zum Zeitpunkt des Zertifikate-Kaufs der Börsenpreis oberhalb des Nennwerts oder fallen Vertriebsprovisionen an, so sind diese Mehrkosten vom Kapitalschutz nicht erfasst.

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Während konservative, eher mittel- bis langfristig orientierte Investoren mit Anlagezertifikaten ihre Risiken begrenzen können, eignen sich Hebelprodukte wie Optionsscheine und Knock-out-Produkte für „Risikojunkies“, die ihre Gewinnchancen „hebeln“ wollen. Damit steigt andererseits auch das Risiko. „Durch die Hebelwirkung nehmen Anleger überproportional an der Entwicklung eines Basiswerts teil“, erläutert Schleicher. Aber eben in beide Richtungen. Geht die Rechnung auf, winkt eine Vervielfachung des Kapitaleinsatzes. Läuft es in die andere Richtung, droht der Totalverlust. Knock-out-Produkte sind besonders riskant, weil sie sofort wertlos werden, wenn der Basiswert eine vorab festgelegte Grenze berührt.

Die Anleger sollten gut informiert sein

„Anlegerinnen und Anleger sollten daher nur solche Finanzprodukte erwerben, über deren wesentliche Merkmale sie Bescheid wissen und deren praktische Einsatzmöglichkeiten sie kennen und beherrschen“, sagt dazu Henning Bergmann, Geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands DDV (Deutscher Derivate-Verband). Doch ungeachtet ihres Rufs als Zockerpapiere können gerade defensiv orientierte Anleger ausgerechnet mit Hebelprodukten auf geschickte Weise ihr Wertpapierdepot absichern. Dazu müssen Anleger nach Optionsscheinen mit dem Zusatz „Put“ Ausschau halten, die genau dann schnell an Wert gewinnen, wenn die Kurse ihrer Basiswerte (Index, Aktie, Rohstoff) im Fallen sind.

Rechtlich betrachtet sind Zertifikate Inhaberschuldverschreibungen. Deshalb beinhalten sie ein Emittentenrisiko. Das heißt, wenn der Herausgeber der Papiere, der Emittent, pleitegeht, werden verbriefte Derivate wertlos – so wie dies bei der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 der Fall war. Deshalb ist es wichtig, auf die Bonität der Emittenten zu achten. Zu den Marktführern zählen derzeit folgende Institute: Die Dekabank – das ist das Wertpapierhaus der Sparkassen –, das genossenschaftliche Spitzeninstitut DZ-Bank, die LBBW und die hessisch-thüringische Landesbank Helaba.

Käufer müssen stets auf der Hut sein

Beim Kauf von verbrieften Derivaten müssen Anleger zwischen einmaligen und regelmäßig wiederkehrenden Kosten unterscheiden. Zu den Letztgenannten zählen Strukturierungsgebühren, die der Managementgebühr entsprechen, die bei Investmentfonds anfällt. Wer Zertifikate direkt beim Emittenten erwirbt, muss außerdem mit einem Ausgabeaufschlag rechnen.

Ein weiteres Manko neben dem Emittentenrisiko ist die häufig fehlende Transparenz der Derivate: Oft kann die Preisbildung während der Laufzeit vom Anleger nur schwer nachvollzogen werden, da die Wertentwicklung der enthaltenen Optionskomponenten durch viele Effekte beeinflusst wird.

Der Nutzen, den die Emittenten leisten, besteht darin, dass sie dem Anleger Instrumente zur Verfügung stellen, mit denen diese auf jede denkbare Marktsituation reagieren können und ihnen eine sehr genaue Feinjustierung des gewünschten Anlageprofils ermöglichen. „Die Absicherungsmöglichkeiten, die sich daraus für ganz unterschiedliche Anlagestrategien ergeben, waren früher nur Profis vorbehalten“, begründet Branchenlobbyist Bergmann den Reiz dieser Wertpapiergattung.

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Vollkasko fürs Depot

Formel
 Defensive Anleger können sich so etwas wie eine Vollkaskoversicherung für ihr Depot bauen – mit Put-Optionsscheinen und einer einfachen Faustformel. Sie bietet zwar keinen hundertprozentigen Schutz, aber zumindest eine gute Orientierung: Um die Zahl der Put-Optionsscheine zu berechnen, wird der Wert des Depots durch den aktuellen Dax-Stand geteilt. Dieser Faktor wird dann mit 100 multipliziert, weil Optionsscheine in der Regel nur ein Prozent des Dax-Standes abbilden (ein sogenanntes Bezugsverhältnis von 1 zu 100). Das Ergebnis ist, aufgerundet, die Zahl der Put-Optionsscheine, die zur Depotabsicherung nötig sind.

Rechnung
 Beispielhaft würde man einen Depotwert von 50 000 Euro durch einen Dax-Stand von 15 000 Punkten dividieren (= 3,333) und dann mit 100 multiplizieren (= 333,3). Es wären also 334 Puts für eine sogenannte statische Absicherung dieses Wertpapierdepots nötig.