Wer parkt, kommt in Stuttgart (noch) straffrei davon. Foto: dapd

Im ruhenden Verkehr nach wie vor keine Bußgelder - Änderung der Straßenverkehrsordnung.

Stuttgart - Geparkte Fahrzeuge ohne gültige Feinstaubplakette kontrolliert die Stadt Stuttgart nicht, weil das Amtsgericht Sünder nicht verfolgt. Für Kontrollen des rollenden Verkehrs fehlt wiederum das Personal. Daher haben Plakettensünder in der Landeshauptstadt zurzeit beste Chancen, straffrei davonzukommen.

40 Euro Bußgeld plus Strafpunkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei - die Fahrt in einer Dreckschleuder durch die Landeshauptstadt ohne grüne Umweltplakette kann teuer werden. Theoretisch. Theoretisch müssen von 2012 an auch jene mit diesen Sanktionen rechnen, deren Fahrzeug nur mit einer gelben Plakette fahren darf. Aber in der Praxis gilt in Stuttgart zurzeit in aller Regel: Freie Fahrt für alle Bäpper. Mit der Kontrolldichte für fahrende Feinstaub-Sünder ist es nämlich nicht weit her. Die Polizei lehnt spezielle Kontrollen der Plakettenpflicht bisher schon wegen Personalmangels ab und prüft bei regulären Kontrollen allenfalls nebenbei, ob auch der Umweltaufkleber in Ordnung ist. Geparkte Fahrzeuge bleiben von Politessen ohnehin unbehelligt, obwohl parkende Autos in der Regel nicht aus heiterem Himmel auf den Stellplatz fallen. Kürzlich hat sich die Deutsche Umwelthilfe daher über die aus ihrer Sicht lasche Kontrolle der Plakettenpflicht empört.

Neben Bußgeld geht es auch um einen Punkt in Flensburg

Im Stuttgarter Rathaus ist man sich trotz der Kritik keiner Schuld bewusst. "Der Vorwurf, wir würden die Plakettenpflicht nicht wirksam kontrollieren, geht ins Leere", erklärt Hermann Karpf, persönlicher Referent des Stuttgarter Ordnungsbürgermeisters Martin Schairer. Aus Sicht der Stadt verhindert nämlich nicht etwa der fehlende Wille, sondern die Rechtslage eine konsequente Verfolgung der parkenden Feinstaub-Sünder. "Das Amtsgericht Stuttgart hat uns schon bei den ersten Fällen zu verstehen gegeben, dass es aus juristischer Sicht kaum eine Chance auf erfolgreiche Prozesse gibt", räumt der Sprecher ein.

Der Hintergrund: Weil es beim Feinstaub-Fahrverbot nicht nur um das 40-Euro-Bußgeld, sondern auch um den Strafpunkt in Flensburg geht, muss die Stadt laut Karpf nachweisen, dass der Halter eines parkenden Fahrzeugs auch wirklich selbst hinterm Steuer saß - und der Wagen tatsächlich ohne eine gültige Plakette bewegt wurde.

Beim seit 2008 geltenden und im Juli 2010 verschärften Feinstaub-Fahrverbot in Stuttgart geraten in der Praxis also nur Autofahrer in Bußgeldgefahr, die hinterm Steuer ertappt werden. Weil das in der Praxis äußerst schwierig ist, lässt Stuttgart die Verfolgung des ruhenden Verkehrs lieber gleich sein - und wartet auf die vom Bund längst angekündigte Verschärfung der Straßenverkehrsordnung. In der neuen Regelung soll auf die Plakettenpflicht für parkende Wagen ausdrücklich hingewiesen werden - auch in Stuttgart wären Strafzettel für Feinstaub-Ferkel dann juristisch hieb- und stichfest. Ein Termin für die neue Straßenverkehrsordnung - ursprünglich für Oktober 2011 geplant - ist bisher nicht in Sicht. "Der Neuerlass bleibt abzuwarten", sagt Ingo Strater, Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, auf Anfrage unserer Zeitung.

Stuttgart bekommt kein gutes Zeugnis von der Umwelthilfe

Dass eine härtere Gangart gegenüber Plakettenverstößen offenbar möglich ist, zeigt eine bundesweite Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe. Die Organisation stellt der Stadt Stuttgart für die Überwachung ihrer Umweltzone ein schlechtes Zeugnis aus. In der Erhebung von insgesamt 43 Umweltzonen landete die Landeshauptstadt hinter Berlin und Hannover im Mittelfeld. Nur zwei von den fünf für eine vorbildliche Überwachung erforderlichen Punkten wurden in Stuttgart erfüllt.

"Viele Kommunalpolitiker haben offensichtlich noch nicht verstanden, dass auch die mangelnde Kontrolle einer Umweltzone zu Strafzahlungen in Millionenhöhe an die Europäische Union führen kann", hält Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch der Stadt vor. Aus seiner Sicht verbessern sich die Schadstoffwerte nur dann spürbar, wenn die Feinstaub-Sünder auch mit Sanktionen rechnen müssten. In Berlin etwa sei die Luftbelastung durch Dieselruß seit Einführung der Umweltzone um 58 Prozent gesunken. Nötig sei allerdings nicht nur ein Schild am Straßenrand, sondern eine konsequente Kontrolle. Laut Resch könne Stuttgart wie London hohe Gebühren für die Einfahrt von Bussen ohne Rußfilter verlangen oder wie in der Schweiz Baumaschinen mit einer Plakettenpflicht belegen. Vor allem aber gehört für die Umwelthilfe ein Bußgeld für parkende Feinstaub-Sünder zum Pflichtprogramm: "In Berlin und Hannover fehlt es nicht am guten Willen, auch in Ulm gibt's für den ruhenden Verkehr ein Strafticket."