Der Stadtteil ist ein politischer Machtfaktor in Böblingen: Warum für Lokalpolitiker kein Weg an der Diezenhalde vorbeiführt, analysiert unser Redakteur.
Ohne die Diezenhalde in Böblingen ist kein Staat oder besser gesagt keine Stadt zu machen, wie sich in der Diskussion um mögliche Windräder oberhalb des Stadtteils einmal mehr gezeigt hat. Immer wieder haben deren Bewohner sich für ihre Belange laut hörbar auf die Hinterfüße gestellt. Und zwar so lange und vehement, bis niemand mehr an ihnen vorbei kam. In der hitzigen Debatte um einen interkommunalen Windpark auf dem Vorranggebiet BB-14 zwischen Böblingen, Ehningen und Holzgerlingen liefen Windpark-Kritiker aus dem Stadtteil Sturm gegen die Pläne der drei Kommunen – mit Erfolg.
Die Windräder wurden parteiübergreifend torpediert
Über Parteigrenzen hinweg gaben Politiker dem Druck der Diezenhaldener nach und machten sich daran, die Windräder zu torpedieren. Ungeachtet dessen, dass in die Planungen für eine bürgernahe und saubere Energieerzeugung schon viele hunderttausend Euro geflossen sind. In einer groß angelegten Suche hatten zuvor Fachplaner des Verbands Region und mögliche Betreiber jahrelang potenzielle Vorranggebiete in der gesamten Region herausgesucht.
Die Sitzung der Regionalversammlung am 2. April, bei der die „Teilfortschreibung des Regionalplans zur Festlegung von Vorranggebieten für Windkraftanlagen“ auf der Tagesordnung stand, hatte also schon eine beachtliche Vorgeschichte. Bevor es zur Abstimmung kam, hatte sich allerdings eine schwarz-gelb-rot-türkise Superkoalition aus CDU, SPD, FDP und Freien Wählern gebildet.
Diese stimmte sich im Hinterzimmer über die Streichung beziehungsweise Verkleinerung von etlichen Vorranggebieten ab, um es vornehm auszudrücken. Landläufig würde man den Vorgang eher anders bezeichnen: Kuhhandel.
War die Nähe zum Vorgarten entscheidend?
Denn es flog etwa auf Wunsch der SPD das Vorranggebiet LB-01 aus der Planung, da es hinter dem Schloss Solitude liegt und man keine drehenden Rotoren als Kulisse für dieses pittoreske Kleinod haben will. Eine Schlüsselrolle in dem Geschacher spielte außerdem der ehemalige Holzgerlinger Bürgermeister Wilfried Dölker, Regionalrat der Freien Wähler. Er soll sich, so wird breit kolportiert, vehement dafür eingesetzt haben, dass das Gebiet BB-13 gestrichen wird. Es liegt oberhalb des Maurener Tals Richtung Altdorf – und befindet sich unweit von Dölkers Privathaus am Ortsrand von Holzgerlingen. Im Gegenzug bekam die CDU die massive Verkleinerung von BB-14 durch.
So waren letztlich nicht Sachargumente die Entscheidungsgrundlage für die Vorranggebiete, sondern der Schalldruck des Protests und persönliche Befindlichkeiten, die die Windräder zu Fall gebracht haben. Kein Lehrstück für eine gute, demokratische Entscheidung. Dass auch der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Wahl sich gegen die Windräder oberhalb der Diezenhalde aussprach, mag daran liegen, dass er um seinen Wiedereinzug in den Landtag 2026 bangt. Und auch vom Böblinger Oberbürgermeister Stefan Belz (Grüne) kam auffallend wenig öffentliche Empörung. Seine Wiederwahl steht ebenfalls 2026 an, wenn er noch mal antritt.
Die Reaktionen im Böblinger Gemeinderat zu dem Regionsentscheid fiel wenig verwunderlich aus. Mit leiser Genugtuung zogen CDU und FDP in der jüngsten Sitzung ihren Antrag vom 9. März zurück, der das Verfahren damals ins Stocken gebracht hatte: Sie hatten einen Planungsstopp bei den Stadtwerken gefordert und keine Entsendung von Vertretern in die Dialoggruppe mit den Betreibern. Zu einer Abstimmung über den Antrag kam es also gar nicht. Der Gemeinderat nahm nun lediglich offiziell die geänderten Planungen zur Kenntnis.
Dass sich auf BB-14 dereinst Rotoren drehen, gilt als höchst unwahrscheinlich. Die Diezenhalde: An ihr führt in Böblingen kein Weg vorbei.