Braumeister Ulrich Rink, Juniorchef Christoph Kumpf und Brauer Lothar Glauner (von links) fahren eine reiche Eisernte ein. Foto: Rudel

Die Geislinger Kaiser-Brauerei lässt eine alte Tradition aufleben – und nutzt das Tiefgefrorene zur Bierkühlung. Wenn die Temperaturen so richtig in den Keller gehen, wird mindestens einmal pro Woche „geerntet“. Dabei ist echte Handarbeit gefragt.

Geislingen - Keine Frage – das Ding sorgt für Aufmerksamkeit, bei Tag und auch bei Nacht. „Irgendwas mit Kunst?“, mutmaßt ein junger Mann, der am frühen Abend in einiger Entfernung an dem gut drei Meter hohen und von innen beleuchteten Holzgestell, das über und über mit dicken Eiszapfen behangen ist, vorbei geht. Seine Begleiterin zuckt nur mit den Achseln, ist dann aber doch neugierig und zieht ihren Partner in Richtung der „Skulptur“, die vor der Geislinger Kaiser-Brauerei steht. Dort sorgt schließlich ein Schild für Aufklärung: „Eisgalgen – Hier wächst das Eis für unseren Natureisbock!“ steht auf der Tafel. „Also doch etwas mit Kunst“, sagt der Gingener und grinst sich eins.

Ausdrücklich widersprechen will Christoph Kumpf, der Juniorchef des Hauses, nicht. „Klar ist das eher eine Spielerei. Völlig zweckfrei ist die Geschichte für uns aber nicht.“ So wird der Ertrag des Eisgalgens tatsächlich für die Kühlung des Eisbockbiers genutzt. Die Holzfässer, in denen sich der Gerstensaft befindet, werden dazu in große Wannen gepackt, in denen sich das Natureis befindet. Die Reifung erfolgt dann bei nur ein bis zwei Grad und zwar genauso lange, wie es Eis gibt. Kumpf rechnet mit einem Zeitraum bis Ende März oder Anfang April. „Solange es eben Winter bleibt und wir als Brauer etwas mehr Zeit dafür haben“, erklärt er und schmunzelt ebenfalls in sich hinein.

Früher waren Eisgalgen zwingend erforderlich

Ganz nebenbei lässt die Kaiser-Brauerei mit dem Eisgalgen – die Idee spukte den Verantwortlichen schon länger durch die Köpfe – aber auch eine uralte Handwerkstradition aufleben. Denn zu Zeiten, als es noch keine elektrischen Kühlsysteme gab, waren Brauereien sowohl zur Kühlung der Gärbottiche als auch zur Lagerung des Biers auf Natureis angewiesen. Und wer keinen Teich oder Weiher in der näheren Umgebung hatte, aus dem im Winter große Blöcke geschnitten werden konnten, musste sich anderweitig behelfen.

Aus Erzählungen seines Vaters Friedrich und seines Onkels Ulrich, die ihrerseits als Kinder wiederum nur noch das Ende der Eisgalgenzeit erlebt haben, weiß Christoph Kumpf, „dass früher alle damals noch existierenden Brauereien in Geislingen einen solchen Eisgalgen hatten“. Diese seien selbstverständlich viel größer gewesen, hätten drei oder noch mehr Etagen gehabt, weil das Eis ja möglichst das Jahr über hätte halten müssen, fügt er hinzu.

Im Sommer soll eine weitere Tradition aufleben

Überrascht war der 27-jährige Braumeister, dass die Eisernte letztlich derart ergiebig ist: „Wir haben das Gestell im Oktober aufgebaut, mit einer Wasserdüse versehen und dann Wetten darauf abgeschlossen, wann wohl der erste Zapfen so lang ist wie eine unserer Bügelflaschen“. Gleich in der ersten kalten Nacht im Dezember war es so weit. „Und wenn es wie jetzt so richtig frostig ist, dann reicht ein Wochenende und der Galgen hängt voll – Rohgewicht bestimmt gut eine Tonne“, betont Kumpf.

Und was ihn mindestens genauso freut: „Man kommt mit den Passanten ins Gespräch, weil viele nicht wissen, was das Ganze soll, die Aktion als solche aber ebenso witzig wie gut finden.“ Deshalb wird der Eisgalgen vor der Geislinger Kaiser-Brauerei denn auch stehen bleiben – und im Sommer einen weiteren, nicht minder traditionelle Zweck erfüllen. „Wir werden das Holzgestell nutzen, um dort einen Hopfengarten anzulegen“, erklärt Kumpf.

Wer sich um diesen kümmern wird, ist indes noch offen. Denn wenn es wieder wärmer wird und mehr Bier getrunken wird, haben die Brauer nicht mehr ganz so viel Zeit für zusätzliche Handarbeit.