Rund drei Millionen Euro weniger kann die Stadt Geislingen in diesem Jahr ausgeben, weil die Gewerbesteuereinnahmen drastisch zurück gegangen sind. Foto:  

Weil in Geislingen schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren die Einnahmen aus der Gewerbesteuer in Millionenhöhe wegbrechen, kämpft die Stadt gegen massive finanzielle Probleme.

Geislingen - Mit einem einstimmigen Beschluss hat der Geislinger Gemeinderat am Mittwoch ein drei Millionen Euro fassendes Sparpaket auf den Weg gebracht, das der Kämmerer Bernd Pawlak und der Oberbürgermeister Frank Dehmer während der vergangenen Wochen schnüren mussten. Diese massiven Einsschnitte in den Etat waren notwendig geworden, weil die Gewerbesteuereinnahmen trotz der sehr guten Konjunkturlage überraschend um 3,7 Millionen Euro eingebrochen sind. Dehmer erließ daraufhin postwendend eine Haushaltsperre.

Gespart wird auch an den Schulen

Sparen muss Geislingen in diesem Jahr etwa bei der Stadtentwicklung und bei der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf die sparsamere LED-Technik. Die Modernisierung von fünf Spielplätzen entfällt. Eingefroren oder auf den Stand der Vorjahre zurückgesetzt wurden die Sachkostenbudgets der Fachbereiche und Stadtbezirke. Die Budgets der Schulen mussten gar um vier Prozent gekürzt werden. Alle verschobenen, aber notwendigen Investitionen müsse die Kommune in den kommenden Jahren nachholen, erklärte Dehmer. Die Finanzierung sei aber unklar und könne nicht über die für künftige Investitionen benötige Rücklage erfolgen, zumal das Regierungspräsidium eine weitere Verschuldung der Stadt nicht mittragen werde.

Für Dehmer war es in seiner erst zweijährigen Amtszeit bereits die zweite massive Sparrunde, nachdem vor zwei Jahren die Gewebesteuereinnahmen sogar um sechs Millionen Euro eingebrochen waren. Der Kämmerer Pawlak erklärte, das Aufkommen bei der Gewerbesteuer werde vor allem von den 18 größeren Betrieben in Geislingen bestimmt, die in der Regel jeweils mehr als 100 000 Euro Steuern zu zahlen hätten. Blieben aus diesem Kreis Zahlungen aus oder seien deutlich geringer als geplant, „können uns die Großen massive Beschwerden machen“, sagte Pawlak. Namen nannten Pawlak und Dehmer keine, dies verbiete das Steuergeheimnis. Insgesamt sind laut dem Kämmerer rund 500 Geislinger Betriebe gewerbesteuerpflichtig.

Die WMF wird kritisch beäugt

In Geislingen gilt es als offenes Geheimnis, dass vor allem das Geschäftsgebaren der WMF Group, einem der größten Arbeitgeber in der Stadt, einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Steuerrückgänge habe. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Thomas Reiff, brachte die erneute städtische Sparrunde mit dem „Hin- und Herverkauf“ von Geislinger Unternehmen und mit hohen Abfindungen an entlassene Vorstände in Verbindung. „Manche reden dabei von Heuschrecken“, sagte Reiff, um abschließend festzustellen: „Damit müssen wir leben“. Bis zum Redaktionsschluss war von der WMF zu den Vorwürfen keine Stellungnahme zu erhalten. Die traditionsreiche schwäbische Küchengeräte- und Besteckfirma war 2012 von dem amerikanischen Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) gekauft worden, dem enge Geschäftsbeziehungen mit dem Steuerparadies Caymen Islands nachgesagt werden. Trotz sieben Rekordjahren in Folge wurde der Geislinger Manager Thorsten Klapproth gefeuert. Eine millionenschwere Abfindung soll den Abgang versüßt haben.

Sein Nachfolger, der Ex-Beiersdorf Vorstand Peter Feld, trat an, den Wert der WMF zu verdoppeln, der 2012 wohl 600 Millionen Euro betrug. Ein in der Firmengeschichte beispielloses Sparprogramm von 30 Millionen Euro jährlich bescherte der WMF einen drastischen Umbau, in dessen Folge bis zu 400 Stellen abgebaut wurden, man das Sortiment straffte, Marken abstieß und den asiatischen Markt eroberte. In diesem Frühjahr verkaufte KKR die Firma für 1,6 Milliarden Euro an den französischen Konzern SEB, dessen Aktienwerte umgehend nach oben schossen.