Zwei Jahre lang wird Geislingen zur Modellstadt für innovative Ideen rund um den Nahverkehr. Foto: Pascal Thiel

Mit preisgekrönten Ideen will der Kreis den Nahverkehr in Geislingen und Umgebung ankurbeln.

Geislingen - Als landesweit einmalig wird das Projekt „Innovativer öffentlicher Verkehr im ländlichen Raum im Kreis Göppingen“ zwei Jahre lang gefördert. Mithilfe eines Landeszuschusses von 850 000 Euro und von 277 000 Euro vom Kreis soll eine Mobilitätszentrale entstehen, die die Verkehrsangebote im Raum Geislingen unter Beteiligung sozialer Fahrdienste, Rufbusse und Carsharer vernetzt, so dass es flächendeckend einen Stundentakt gibt. Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg hat Hilfe zugesagt, die wissenschaftliche Begleitung übernimmt die Hochschule Geislingen.

Das Projekt darf nicht als Bettvorleger enden

„Ohne Ihre Unterstützung sind wir zum Scheitern verurteilt“, rief der Göppinger Kreisverkehrsplaner Jörg-Michael Wienecke den Bürgermeistern und Kreisräten aus dem Kreis Göppingen und den Nachbarkreisen sowie den Bus- und Taxiunternehmern zu, die sich an der Hochschule zur Auftaktveranstaltung des Modellprojekts eingefunden hatten. Damit hatten Wienecke und sein Dienstherr, der Landrat Edgar Wolff, die Partner ins Boot geholt, die nach Ablauf der Projektzeit die Weiterfinanzierung der künftigen Nahverkehrsangebote zwischen Wiesensteig und Böhmenkirch gemeinsam mit dem Kreis Göppingen und seinen Nachbarn garantieren sollen. Die dauerhafte Finanzierung nach der Modellphase sei eine wichtige Voraussetzung, damit das jetzt viel gepriesene Projekt nicht als Bettvorleger ende, sagte der beratende Heidelberger Nahverkehrsplaner Felix Berschin. Er rechne mit einem Finanzbedarf in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags.

Taxiunternehmen und Krankenkassen sollen mitziehen

Der Kreis Göppingen hatte den ersten Preis im Landeswettbewerb „Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum“ für die Idee erhalten, den öffentlichen Nahverkehr nicht nur in Geislingen und seinen Teilorten, sondern im ganzen angrenzenden Raum jenseits der Schiene von 6 bis 24 Uhr im Stundentakt zu erschließen. Und weil Linienbusse mangels Auslastung dafür nach Wolffs Überzeugung nicht die Antwort der Zukunft seien, möchte der Kreis mit den Anbietern und Finanzierungsträgern von Krankenfahrten, also Taxiunternehmern und Krankenkassen, Partnerschaften eingehen. „Wir wollen was Tolles hinkriegen, was zum Vorbild für andere wird“, postulierte Wolff. Diese nach Berschins Einschätzung „wahnsinnig schwierige Zusammenführung“ wolle der Kreis genauso meistern wie die rechtlichen Hürden, sagten seine Repräsentanten.

Wichtige Partner seien auch die Taxiunternehmen, die mehrere Rufbuslinien anböten, derzeit für ihre Bereitschaftszeit aber keinen Cent erhielten, wenn keine Fahrten anfielen. Mit ihnen will der Kreis offenbar neue Verträge aushandeln, die alten wurden vorsorglich gekündigt.

Selbst ein Soziologe ist vom Projekt begeistert

Als Gastgeber umriss der Soziologe Sven Kesselring die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für das Modellprojekt, das er im Spannungsfeld von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit verortete. Immerhin umreiße sein Forschungsauftrag an der Hochschule Geislingen mit der Professur für Automobilwirtschaft und nachhaltige Mobilität auch den Ansatz, über alternative Mobilitätsformen nachzudenken. Mobilität habe viel mit der Gestaltung von Freiheit zu tun. Den Zugang allen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen betrachte er als wichtige Herausforderung. Die Hochschule hat gemeinsam mit der Technischen Uni München zur nachhaltigen Mobilität ein Promotionskolleg eingerichtet. Und das aktuelle Modellprojekt wird sich in einer Masterarbeit niederschlagen.