n diesem Reihenhaus in Holzgerlingen spielte sich das Geiseldrama ab: Die SEK-Beamten waren über die Terrasse eingedrungen Foto: Andreas Rosar/ Fotoagentur-stuttgart

Auch ein Tag nach dem Tod des Geiselnehmers herrscht Rätselraten, was in Holzgerlingen geschah. „Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor“, erklärte Staatsanwältin Claudia Kraut. Sie bestätigte, dass der Täter „französischstämmig“ war. Die Einwohner der Schönbuchstadt sind fassungslos.

Holzgerlingen - Auch ein Tag nach dem Tod des Geiselnehmers herrscht Rätselraten, was in Holzgerlingen geschah. „Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor“, erklärte Staatsanwältin Claudia Kraut. Sie bestätigte, dass der Täter „französischstämmig“ war. Die Einwohner der Schönbuchstadt sind fassungslos.

Die rote Blütenpracht vor dem Reihenhaus an der Böblinger Straße in der 13 000-Einwohner-Stadt sowie der blaue Sonnenschirm und die blaue Sonnenliege könnten an diesem schönen Sommertag auf eine Idylle deuten – wären da nicht die rot-weißen Absperrbänder der Polizei und die Holzbretter, mit denen die zerstörten Terrassenfenster ersetzt worden sind.

Über diese Terrasse sind die Spezialkräfte vom Sondereinsatzkommando Baden-Württemberg in der Nacht zum Samstag um 2.10 Uhr in das Haus eingedrungen, in der ein 29-jähriger Franzose die Familie seiner Ex-Freundin in Gewalt genommen hatte. Die junge Frau, deren Trennung der Geiselnehmer offensichtlich nicht verkraftet hatte, war nicht zu Hause, als der mit einer scharfen Pistole des Kalibers 7,65 Millimeter bewaffnete Täter kurz nach 22 Uhr Angst und Schrecken verbreitete. Die 24-jährige Ex-Freundin hatte die Polizei alarmiert. Ihre Eltern und ihre beiden Geschwister blieben unverletzt. Die SEK-Beamte schossen auf den 29-Jährigen, der sich nicht festnehmen ließ. Trotz ärztlicher Hilfe ist er gestorben.

Staatsanwaltschaft nennt keine Einzelheiten

Hat der Geiselnehmer selbst geschossen? Wie viele Schüsse sind gefallen? Claudia Kraut, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, bat am Sonntag gegenüber den Stuttgarter Nachrichten um Verständnis, dass sie keine Einzelheiten nennen könne. Der Stand der Ermittlungen sei noch nicht so, dass man gesicherte Ergebnisse veröffentlichen könne. Auch konnte sie nicht sagen, welcher Religion der aus Frankreich stammende Geiselnehmer angehörte. Frühestens an diesem Montag könne man nähere Angaben machen, die nicht auf Spekulationen beruhten.

Im Internet kursierten nach der Tat rasch Gerüchte. „Viele Franzosen stammen aus dem Maghreb, sind Tunesier, Marokkaner und Algerier“, war bei Facebook zu lesen. „Es kommt nicht darauf an, was für ein Franzose es war“, widerspricht ein anderer Internetbesucher, „schlimm ist es doch so oder so, was geschah.“ Etliche bedanken sich im Netz beim Sondereinsatzkommando. „Wer mit einer Waffe andere bedroht, muss damit rechnen, dass eine Gefahrenabwehr stattfinden wird“, heißt es in einem Kommentar. Und ein anderer schreibt: „Wenn den Unschuldigen nichts passiert ist, war der Einsatz der Polizei trotz des tödlichen Ausgangs erfolgreich.“

Holzgerlingen soll nach diesem Schock zur Ruhe kommen

In der Schönbuchstadt im Landkreis Böblingen herrscht Fassungslosigkeit. Wie konnte so ein schweres Verbrechen hier geschehen? Geiselnahmen kenne man doch sonst nur aus Großstädten. Vier bis fünf Schüsse seien gefallen, erzählt man sich. Doch Genaues weiß man nicht. Bürgermeister Wilfried Dölker (Freie Wähler) bittet die Medien darum, Holzgerlingen nach diesem Schock zur Ruhe kommen zu lassen. Falls von der betroffenen Familie gewünscht, werde die Stadt ihr „im Rahmen unserer Möglichkeiten Nachsorgehilfsleistungen“ gewähren. Dass es Geiselnahmen vor dem Hintergrund einer privaten Tragödie gibt, komme leider immer wieder und überall vor. Es mache ihn natürlich traurig, dass der Geiselnehmer gestorben sei, sagte Dölker.

Die 24-jährige Tochter der Familie hatte, wie es in der gemeinsamen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Stuttgart und des Polizeipräsidiums Ludwigsburg heißt, „in der Vergangenheit eine Beziehung mit dem Verdächtigen geführt und diese schließlich beendet“. Beamten der Kriminalpolizei Böblingen sei es gelungen, in der Tatnacht in Kontakt mit dem Verdächtigen und den Eltern zu treten. Das Gebiet um das betreffende Wohnhaus wurde großräumig abgesperrt – eine kleine Spielhalle, die sich auf der anderen Straßenseite befindet, wurde evakuiert. Noch während des Zugriffs der Spezialeinsatzkräfte habe man die Familie unversehrt aus ihrem Haus bringen können. Trotz der sofort eingeleiteten Reanimationsmaßnahmen durch die Einsatzkräfte und einen anwesenden Notarzt sei der 29-Jährige verstorben. Für diesen Montag kündigten die Behörden die Bekanntgabe weiterer Ermittlungsergebnisse an.