Zwei Stunden in der Haupstadt der Schwaben: Bundeskanzlerin Merkel flog am Mittwochabend nach Stuttgart, um sich mit Unternehmern zu treffen. Lecker Essen gab es auch.

Stuttgart - Wie wär’s mit ein bisschen Knoblauchsalami und Antipasti. Zum Hauptgang ein Jungbullenfilet, die 100 Gramm für 1,99 Euro. Als Nachtisch vielleicht ein paar edle Pralinen oder lieber einige Zentimeter vom dahinfließenden französischen Camembert? So lässt sich das Abendbrot an einem ungemütlichen November-Abend durchaus angenehm gestalten. Aber was ist, wenn beim Einkauf der edlen Waren bei „Feinkost Böhm“ in Stuttgart neben einem plötzlich die Kanzlerin steht und die Gemüseauslage lobt. War sie nicht gerade noch in Brüssel? Oder war es doch Berlin? „Das sieht alles sehr gut aus“, sagt Angela Merkel. Zum Shoppen oder Schlemmen kommt sie jetzt freilich nicht.

Ein paar Meter weiter warten gut 20 handverlesene Unternehmer aus ganz Baden-Württemberg auf die Regierungschefin. Die Bundes-CDU hat zusammen mit der Landespartei zu einem so genannten Wirtschaftsgespräch ins Restaurant bei „Böhm“ eingeladen. Man könnte auch sagen: Die CDU bittet schön verpackt um Spenden.

Hausherr Ferdinand Piëch, der älteste Sohn des früheren VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch, begrüßt die Gäste. Leibwächter sperren den Zugang für Otto Normalverbraucher ab. Wer dennoch zu nahe kommt, wird freundlich, aber kraftvoll an der Schulter zum Ausgang geschoben. „Solche Treffen finden immer nichtöffentlich statt. Die Leute wollen Diskretion“, sagt ein Firmenchef, der eine Einladung erhalten hat. Die Vorhänge im Restaurant sind zugezogen, nur einige wenige Blitzlichter des Hausfotografen dringen nach draußen. Man ist unter sich. Gedimmtes Licht, dazu Kerzenschein. So tauchen sie ein in die große weite Welt der Politik.

Flüchtlingskrise als Hauptthema

Merkel verteidigt ihren Kurs in der Flüchtlingskrise, hört sich aber auch die Ängste einer Frau an, die von den wachsenden Sorgen der Bürger angesichts der vielen Fremden spricht. Und sie spürt, dass mancher Unternehmer plötzlich gar nicht mehr über den Fachkräftemangel klagt, weil viele Flüchtlinge eben doch nicht so qualifiert sind wie erhofft. Doch die Kanzlerin lässt sich nicht von ihrer Linie abbringen. „Sie hat einen Plan und zieht den durch“, sagt ein Teilnehmer später.

Was auffällt: Obwohl sich gerade die Unternehmer im Land immer wieder über die Bildungspolitik und die Infrastrukturpolitik der grün-roten Landesregierung beschweren, bleibt für diese Themen zwischen Fisch und Fleisch kaum Platz. Merkel erläutert lieber ihr Konzept, wie sie den gewaltigen Zustrom von Flüchtlingen dauerhaft stoppen will. Durch große Lager in der Türkei, Jordanien und im Libanon, wo die Menschen nicht mehr nur zehn Dollar (9,40 Euro) , sondern 35 Dollar pro Monat erhalten sollen und man ihnen eine Perspektive für eine Ausbildung gibt. Man müsse, so betont sie mehrfach, den Flüchtlingsdruck schon vor den EU-Außengrenzen verringern. Nur so sei der Zustrom an Asylsuchenden zu mindern. Aber das alles gehe eben nicht von heute auf morgen. „Sie hat entschlossen argumentiert, aber auch klar gemacht, dass sie Zeit braucht“, meint ein Unternehmer, der nach Dessert und Espresso in die Nacht verschwindet und sich vom Chauffeur heim fahren lässt.

Vor allem aber will sie endlich Ruhe in der Großen Koalition. Merkels Botschaft: Es muss Schluss sein mit den internen Querelen, vor allem mit den Querschüssen aus Bayern. Gemeint ist CSU-Chef Horst Seehofer. Ihre ungewöhnlich deutliche Botschaft: Er hat der Union zuletzt mehr geschadet als genutzt.

Aber Merkel wäre nicht Merkel, wenn sie sich davon beeindrucken lässt. Sie wirkt kämpferisch und verschwindet nach gut zwei Stunden so unaufgeregt aus dem Restaurant wie sie gekommen war. Zurück zum Flughafen. Sie muss den letzten Flieger nach Berlin erreichen. Zwar ohne Feinkost für die heimische Küche, aber mit der Vorfreude auf den CSU-Parteitag an diesem Wochenende. Dort will sie sprechen. Es dürfte ein Auftritt werden, der manchem auf den Magen schlagen könnte.