Es sollte kein expliziter Gegenprotest zur Demo auf dem Wasen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

„Solidarität. Freiheitsrechte. Klare Kante gegen Rechts“: 200 Menschen demonstrieren am Samstag zeitgleich im Kursaal in Bad Cannstatt und distanzieren sich so von der Mahnwache Grundgesetz auf dem Wasen.

Stuttgart - Das Motto der Kundgebung am Bad Cannstatter Kursaal am Samstagnachmittag ließ auf den ersten Blick wenig Raum für Interpretationen. Mit „Solidarität. Freiheitsrechte. Klare Kante gegen Rechts“ positionierte sich die neue Bürgerinitiative politisch unzweideutig. Unterstützer sind unter anderem der Verdi-Bezirk Stuttgart, der Württembergische Kunstverein und das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS).

Als Gegenveranstaltung zur parallel auf dem Wasen stattfindenden Mahnwache Grundgesetz der Initiative Querdenken 711 wollten sich die Initiatoren nicht verstanden wissen – auch wenn alle Redner Bezug auf sie nahmen. „Das soll kein expliziter Gegenprotest zum Wasen sein. Trotzdem ist es relevant, was dort passiert“, sagte Marie Salz, eine der Initiatorinnen der Kundgebung. Klar sei für sie, dass die Grundrechtedemos von Rechten und Verschwörungstheoretikern unterlaufen sind.

„Die Rechte ist dort mittlerweile dominant“, konstatierte ein Redner des AABS. Nicht zuletzt liege das am Veranstalter der Kundgebungen, dem IT-Unternehmer Michael Ballweg. Dieser distanziere sich nicht klar genug, lasse unter Verweis auf die Meinungsfreiheit auch Verschwörungstheoretiker sprechen. Dennoch: „Wir wollen nicht alle dort als Nazis abstempeln“, so der Sprecher weiter. Viele Teilnehmer hätten schlicht Angst um ihre Zukunft.

Prekäre Bedingungen von Beschäftigten

Auch der aus Nigeria stammende Rex Osa vom Flüchtlingsnetzwerk Refugees 4 Refugees meint, dass die meisten Demonstranten vom Wasen keine politische Haltung hätten, sondern „nur Mitmacher“ seien. Dennoch verspüre er ein Unbehagen. Dies betonte auch Bündnis-Sprecherin Miriam Möller. Für sie treten in der Krise Schwachstellen der Gesellschaft offen zutage, unter denen die Menschen schon lange vor dem Ausbruch der Pandemie zu leiden hatten.

Eine dieser Schwachstellen ist für Hanna Binder die notorische Geringschätzung von Beschäftigten in Pflege und Einzelhandel, also jenen, die „den Laden am Laufen halten“, so die stellvertretende Leiterin des Verdi-Landesbezirks. Für die Aufwertung dieser Berufe ringe man seit Jahrzehnten. Doch Binder befürchtet, dass die Politik nach der Krise eine „Sparorgie“ feiert und die Beschäftigten wieder leer ausgehen.

Journalist Joe Bauer verwies auf die seit jeher prekären Bedingungen Kulturschaffender, die durch die Krise noch verstärkt werde. Deshalb fordere er die Politik auf, kulturelle Arbeit aufzuwerten und sie nach der Krise besser und würdiger zu machen.

„Kunst und Kultur sind unverzichtbar für ein humanes Klima und für Aufklärung in einer halbwegs demokratischen Gesellschaft“, so Bauer. Er kritisierte, dass Veranstaltungen selbst auf kleinsten Bühnen derzeit ausfallen, während sich gleichzeitig Tausende Menschen auf dem Wasen zur Demo treffen dürften.