Hilke Freese leitet das neu geschaffene Zentrum für internationale Betriebsprüfungen Foto: dpa

Frankreich und Baden-Württemberg wollen bei Betriebsprüfungen enger zusammenarbeiten. Damit sollen Verfahren beschleunigt und Steuerbetrug verhindert werden.

Stuttgart - Vom neuen Zentrum für internationale Betriebsprüfungen sollen Wirtschaft und Staat profitieren: Steuerkontrollen bei Unternehmen mit Standorten in mehreren Ländern sollen zügiger abgeschlossen und Unstimmigkeiten schneller geklärt werden – das gibt den Unternehmen Planungs- und Rechtssicherheit. Und dem Staat sollen keine Steuern mehr entgehen, weil Firmen beispielsweiseGewinne herunterrechnen oder dorthin überweisen, wo die Steuersätze am niedrigsten sind. „Die Wirtschaft ist global wie nie zuvor. Die Beratungsfirmen, die Unternehmen in steuerlichen Angelegenheiten unterstützen, sind ebenfalls international aufgestellt“, sagte Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann am Freitag bei der Vorstellung des neuen Vorhabens. „Es ist unumgänglich, dass wir auch als Steuerverwaltung verstärkt international zusammenarbeiten.“

Seit 2013 haben Betriebsprüfer in Deutschland die Möglichkeit, Unternehmen mit Standorten in der EU grenzüberschreitend zu prüfen. Das geschieht entweder in sogenannten Simultanprüfungen, also gleichzeitig mit der Steuerverwaltung des jeweils anderen Staats. Oder die Steuerverwaltungen prüfen gemeinsam in sogenannten Joint Audits. Dabei endet die Arbeit der Prüfer nicht mehr an der deutschen Grenze, Informationen können direkt ausgetauscht werden.

Französischer Steuerattaché erwartet mehr Steuergerechtigkeit

Das neue Zentrum in Stuttgart konzentriert sich vorerst auf Betriebsprüfungen in Frankreich. Dort kämen etwa 30  000 internationale Unternehmen für entsprechende Prüfungen in Frage, sagte Michel Feigenbrügel, Steuerattaché der französischen Botschaft in Berlin. „Solche Entwicklungen mit Deutschland als wichtigstem Partnerland werden für mehr Steuergerechtigkeit sorgen“, ist er überzeugt.

Baden-Württemberg ist das zweite Bundesland, das von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Bayern hat mit Italien eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Andere Verfahren laufen über den Bund, der das Modell zunächst mit den Niederlanden erprobt hatte. „Wir koordinieren die Betriebsprüfer der Länder je nach Bedarf bei der Durchführung der Verfahren“, sagte Kirsten Rösel, Bundesbetriebsprüferin und Koordinatorin im Bundeszentralamt für Steuern.

2,4 Milliarden Euro mehr dank Betriebsprüfungen

In Stuttgart ist das Zentrum in der Steuerabteilung des Finanzministeriums angesiedelt. Zwei Beamtinnen koordinieren grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Für Betriebsprüfungen waren im vergangenen Jahr 1865 Mitarbeiter eingesetzt, kontrolliert wurden knapp 30 000 Unternehmen. Großbetriebe werden im Durchschnitt alle 4,3 Jahre kontrolliert, mittlere Betriebe alle 12,5 Jahre. Die Betriebsprüfungen führten 2017 zu Steuermehreinnahmen von 2,4 Milliarden Euro.

Bei der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart kommt das neue Zentrum gut an. Die international vernetzten Wirtschaft im Land profitiere davon. „Bisher kann es einem Betrieb mit Standorten in mehreren Ländern passieren, dass er doppelt Steuern auf den gleichen Sachverhalt bezahlen muss, weil die verschiedenen nationalen Steuerbehörden zu unterschiedlichen Bewertungen kommen“, sagte IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. „Die Klärung zwischen den Behörden verschiedener Länder dauert bisher oft mehrere Jahre, ist teuer und aufwändig.“