Brennpunkt Baden-Baden: Leere Sekt- und Bierflaschen stehen dort auf dem Leopoldsplatz. Foto: dpa

Alles auf null: Die grün-rote Landesregierung will neue Verbote prüfen und bestehende Regelungen überdenken – auch die Sperrstunde.

Stuttgart - „Alkoholexzesse“ – Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Reinhold Gall (SPD) bemühen dieselbe Wortwahl, wenn es darum geht, nächtliche Partys auf öffentlichen Plätzen und in Fußgängerzonen zu beschreiben. In ihrer Einschätzung des mitunter (zu) wilden Treibens berufen sie sich auf die Beobachtungen der Polizei, der zufolge das Alkoholproblem mit all seinen negativen Auswirkungen (Pöbeleien, Gewalt) zuletzt immer mehr zugenommen hat.

„Wir können nicht länger zuschauen“, sagte Kretschmann nach einem Treffen mit Vertretern aller Parteien, von Kommunen sowie der Polizei. Aber was tun? Zentrales Ergebnis der großen Runde: die Einrichtung einer Arbeitsgruppe. Diese soll sämtliche bestehende Regelungen und neue Vorschläge einer sorgfältigen Prüfung unterziehen. Dazu zählen auch die Sperrstunde und das Alkoholverkaufsverbot an Tankstellen nach 22 Uhr. Die Sperrstunde wurde in den vergangenen Jahren vielerorts gelockert beziehungsweise aufgehoben. Jetzt will man über eine Verschärfung nachdenken. Gall nennt den Grund: „Je länger eine Veranstaltung dauert, desto mehr wird getrunken.“ Dies sei insbesondere auf Festen zu beobachten.

Das von der CDU eingeführte Verkaufsverbot an Kiosken, Bahnhöfen und Tankstellen zwischen 22 und 5 Uhr hat sich seiner Ansicht nach bewährt. Deshalb wird auch nicht etwa über eine Abschaffung des Gesetztes nachgedacht, sondern über eine Verschärfung. „Alles kommt auf den Prüfstand“, so Gall.

Zu den neuen Vorschlägen zählen vor allem die von den Grünen ins Spiel gebrachten Platzverbote. Jugendliche, die sich trinkend danebenbenehmen, sollen an bestimmten Orten mit einem Aufenthaltsverbot von einem Jahr belegt werden. Dazu müsste das Polizeigesetz geändert werden. Aus Gründen des Verfassungs- und des Datenschutzes gilt ein solches Verbot als schwierig. Auch innerparteilich gibt es Widerstände. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel fragt sich, wie das in der Praxis umsetzbar sein soll. „Indem man eine Säufer-Datei anlegt?“

„Wer weiß, vielleicht ist in einem Jahr das öffentliche Besaufen ja völlig out“

Kretschmann und Gall brachten noch einmal ihren eigentlichen Wunsch nach generellen Alkoholverbotszonen vor. Da sei innerhalb von Grünen und SPD noch nicht das letzte Wort gesprochen, kündigte der Regierungschef an. Die Parteien wehren sich mehrheitlich gegen Alkohol-Sperrzonen in Innenstädten. Indirekt kritisierte der Ministerpräsident das Vorgehen in seiner Partei und der des Koalitionspartners. „Ich hätte mir schon gewünscht, dass die Gegner ihre Anliegen etwas dezidierter vorgetragen hätten“, sagte er. In der Arbeitsgruppe, in der wohl eher die Parteispitzen vertreten sein werden, wolle man „alles noch mal durchkauen“ und dann in die Parteigremien zurück zur Beratung verweisen.

Kretschmann schloss den Runden Tisch mit einem hehren Wunsch: „Wer weiß, vielleicht ist in einem Jahr das öffentliche Besaufen ja völlig out.“ Dann hätte sich das Problem von selbst gelöst.

In Stuttgart hat Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) die Forderung nach einem befristeten Alkoholverbot schon vor einem Jahr erhoben. Nach der Podiumsdiskussion Mittendrin unserer Zeitung wurde ein Runder Tisch gegen Auswüchse der Partyszene in der Innenstadt ins Leben gerufen – mit Polizei, Vertretern der Stadt, des Einzelhandels und der Gastronomie. Man war sich einig: Es gibt viel zu tun bis zu den nächsten lauen Nächten . . .