Vor einem Jahr: Wolfgang Reinhart und Annegret Kramp-Karrenbauer Foto: dpa/Christoph Schmidt

Geballte Kritik aus dem Südwesten: Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag attackiert die Parteispitze in Berlin. Und auch Spitzenkandidatin Eisenmann ist unzufrieden.

Stuttgart/Berlin - Nicht nur in Personalfragen rumort es in der CDU – auch inhaltlich wächst die Kritik an der Parteiführung in Berlin. Eine Woche vor dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig kommt auch aus Baden-Württemberg scharfe Kritik. „Für die großen Fragen unserer Zeit hat die CDU keine Antennen und keine Agenda mehr“, heißt es in einem Schreiben von CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart, das unserer Redaktion vorliegt. Die CDU sei bei Zukunftsthemen wie der Klimadebatte oder der Digitalpolitik kaum sprechfähig und verharre „untätig und ängstlich in der wirtschaftspolitischen Grauzone“. Sie sei inhaltlich insolvent und brauche dringend ein Sanierungsprogramm, klagt Reinhart: „Wie die sieche SPD zehrt die CDU inzwischen von der schrumpfenden Substanz. Wir wollen das traurige Schicksal der Sozialdemokratie aber nicht nur passiv erdulden.“ Er fordert eine neue Reformagenda, die das Land positiv in Bewegung bringe. Nötig seien mehr Gespräche über Wirtschaft, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit.

Tags zuvor hatte bereits Susanne Eisenmann, die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisiert. „Sie hatte einen guten Start, aber sie hat in den letzten Monaten an Drive verloren“, sagte die Kultusministerin beim Treffpunkt Foyer der Stuttgarter Nachrichten und ihrer Partnerzeitungen. „Ich hoffe, dass sie bald Tritt fasst, auch in der persönlichen Darstellung. Da ist tatsächlich noch Luft nach oben.“

Südwest-CDU lädt Merz ein

Die Debatte dürfte auch den traditionellen Landestag der Jungen Union (JU) befeuern, der an diesem Wochenende im oberschwäbischen Bad Waldsee stattfindet. Mit Friedrich Merz und Tilman Kuban hat der CDU-Nachwuchs zwei Parteifreunde als Redner eingeladen, die seit Wochen der Parteispitze und der Bundesregierung in Berlin kräftig einheizen. Nach der Landtagswahl in Thüringen hatte Merz Kanzlerin Merkel Untätigkeit und mangelnde Führung vorgeworfen. Der frühere Bundestagsfraktionschef kann sich an diesem Samstag in Oberschwaben noch einmal öffentlichkeitswirksam als Alternative zu Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer präsentieren, der er bei der Abstimmung der Parteibasis vor einem Jahr knapp unterlegen war. Und Kuban, der Bundesvorsitzende der Jungen Union, kann erneut für seine Idee werben, die Kanzlerkandidatur für 2021 per Urwahl zu bestimmen – über einen entsprechenden Antrag muss der Parteitag entscheiden.

„Diskussionen tun uns immer gut“, sagt Baden-Württembergs JU-Chef Philipp Bürkle. Merz sei 2018 der Wunschkandidat der meisten Christdemokraten in Baden-Württemberg für den CDU-Bundesvorsitz gewesen, und es sei nötig, über Themen wie die Wirtschaftspolitik oder die Grundrente zu diskutieren und „klare Kante und klaren Kurs“ zu zeigen. Der 28-Jährige, der am Samstag wieder für den JU-Vorsitz kandidiert, erhofft sich davon auch Schwung für die Landtagswahl 2021 – neben Landeschef Thomas Strobl und Generalsekretär Manuel Hagel wird auch Spitzenkandidatin Eisenmann sprechen. Generalsekretär Hagel mahnt inhaltliche Diskussionen an. „Wenn man seine eigenen Wähler so richtig nerven will, dann beschäftigt man sich nur mit sich selbst und führt ständig Personaldebatten, die derzeit wirklich nicht anstehen. Das brauchen wir als CDU aktuell echt nicht.“