Ein Stück Heimat: Wirtshausschild in einem Dorf Foto: Martina Berg - stock.adobe.com

Das Gastgewerbe nutzt das Stuttgarter Frühlingsfest zu einer machtvollen politischen Demonstration gegen das Wirtshaussterben.

Stuttgart - Eine Dorfwirtschaft hat mit „Grandls Hofbräu“ auf dem Cannstatter Wasen wenig gemein. Vielleicht so viel wie ein Tante-Emma-Laden mit einem Supermarkt. Um Gastlichkeit geht es aber beiden Lokalen. Deshalb haben am Montag 3000 Wirte aus dem ganzen Land die große Bühne des Stuttgarter Frühlingsfestes genutzt, um die Politik auf ihre Nöte aufmerksam zu machen.

„Wirtshaus ist Heimat“, steht auf den Tafeln, die der Branchenverband Dehoga dafür vorbereitet hat. Oder: „Gastfreundschaft statt Doku-Wahn!“ Das Bier fließt in Strömen, der Ochsenbraten dampft, doch vorne im VIP-Bereich blicken die fünf Vorsitzenden der im Landtag vertreten Parteien zaghaft drein. Vor allem, als Dehoga-Landeschef Fritz Engelhardt ihnen kräftig einschenkt. Tenor: Die Politik treibe die Branche mit mangelnder Wertschätzung und Bürokratie in den Ruin.

Breitseite – auch gegen AfD

Die Misere zeige sich vor allem an den „Wirtshausruinen“ im ländlichen Raum, klagt er. Elf Prozent der Gemeinden seien schon jetzt „gastronomisch unterversorgt“, damit verschwinde auch ein Stück Heimat. Dann knöpft er sich die Politprominenz einzeln vor. Sandra Detzer zum Beispiel von den Grünen (im grünen Trachtenjäckchen) muss sich fragen lassen, warum sie den Reformvorschlag blockiere, die Arbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden auszuweiten. AfD-Chef Dirk Spaniel muss sich anhören: „Wir sagen Ja zu Europa und können mit ausländerfeindlichen Parolen nichts anfangen.“

Die Gescholtenen rechtfertigen sich tapfer, jeder hat allerdings nur fünf Minuten. Detzer etwa singt das Hohelied der Fachkräfte-Zuwanderung und meint zur Arbeitszeit-Flexibilisierung, das müssten die Sozialpartner miteinander aushandeln. CDU-Chef Thomas Strobl erinnert daran, dass das Land schon jetzt Investitionen in Dorfgaststätten fördere. Im Übrigen wolle man die berufliche Bildung fördern und Bürokratie abbauen. Spaniel wiederum zeigt mit dem Finger auf die Konkurrenz und warnt vor einer CO2-Steuer. Die Gastronomie gerate so ins Fadenkreuz grüner „Klimafanatiker“.

Buhrufe gegen Stoch

Den schwersten Stand hat SPD-Chef Andreas Stoch. Als er das geltende Arbeitszeitgesetz verteidigt und die Wirte auffordert, die Ausbildungsbedingungen zu verbessern, erbebt „Grandls“ Festzelt unter den Buhrufen aus 3000 Kehlen. Da hat es FDP-Landeschef Michael Theurer schon leichter. Er unterstützt die Dehoga-Forderung nach einem reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Speisen und macht den Wirten auch sonst die Honneurs. Nur: Am Ende fügt er kleinlaut an, dass seine Partei (noch) zu schwach sei, alles umzusetzen.