Autsch, das tut weh: Zum Start der Bundesliga-Rückrunde legte der VfB Stuttgart (Zdravko Kuzmanovic/li., gegen den Wolfsburger Jan Polak) eine Bauchlandung hin. Foto: Pressefoto Baumann

Der VfB Stuttgart: als zahnloser Tiger: In Wolfsburg fehlt die letzte Entschlossenheit. Gegen den FC Bayern am Sonntag sind ganze Kerle gefragt.

Stuttgart - Es war ein seltenes Bild, das Bruno Labbadia am Sonntagmorgen abgab – aber eines mit Symbolcharakter. Die Reservisten sollten auf dem Grün des Rasens trainieren, doch weil der Platz unter einer geschlossenen Schneedecke lag, griff der Trainer selbst zur Schippe und schaufelte so lange mit, bis ein Mini-Spielfeld freilag. Sollte Labbadia demnächst überdrüssig sein, die Dinge immer wieder mit Worten zu erklären, dient ihm diese Szene als idealer Anschauungsunterricht. Genau so will er seine Spieler auch in den großen Stadien sehen: dass sie spüren, wenn Not am Mann ist, dass sie selbst Hand anlegen und auf diese Art Probleme im Ansatz lösen.

Beim 0:2 in Wolfsburg standen von dieser Sorte zu wenige auf dem Platz. Zu wenige, die den letzten Biss und die letzte Entschlossenheit erkennen ließen – im Spiel nach vorn und im Defensivverhalten. „Uns hat die letzte Konsequenz vor dem Tor gefehlt. Und wir sind bei beiden Gegentoren nicht gut gestanden“, sagte Christian Gentner bedröppelt. Der VfB als zahnloser Tiger. Das führt zwangsläufig zu der beunruhigenden Erkenntnis: Wenn die Mannschaft im Heimspiel gegen den FC Bayern am Sonntag (17.30 Uhr) ähnlich reserviert auftritt, kann das böse enden. „Wir haben das Spiel kontrolliert, hatten 21:8 Torschüsse, aber wir stehen mit leeren Händen da“, monierte Labbadia und gestand: „Das hat mir in der Nacht zum Sonntag den Schlaf geraubt.“

VfB mit beeindruckendem Chancenplus

Gut, der VfB hat keinen Diego in seinen Reihen, der ein Spiel (wie das am Samstag) allein entscheiden kann. Mit seinem Solo zum 1:0 versetzte Wolfsburgs Spielmacher, der später auch den Freistoß zum 2:0 trat, dem VfB einen Nackenschlag, von dem er sich nicht mehr erholte. Das war ebenso bitter wie unnötig. Weil der VfB gar nicht erst versucht hatte, dem kleinen Dribbler das Leben schwerzumachen. Tief im Mittelfeld nahm Diego den Ball, ließ Tamas Hajnal stehen, schlug zwei Haken und schüttelte Zdravko Kuzmanovic ab, der ihn zudem von der falschen Seite bedrängte. So konnte Diego nach innen ziehen und hatte auch noch das Glück, dass Sven Ulreich bei seinem Aufsetzer den Ball durch die Hände rutschen ließ – an einem guten Tag hätte er ihn mit ziemlicher Sicherheit entschärft. Doch das war nicht mehr ausschlaggebend, entscheidend waren die Nachlässigkeiten zuvor. „Dass Diego unbedrängt über das halbe Spielfeld marschieren kann, darf uns niemals passieren“, schimpfte Kapitän Serdar Tasci, „da muss man doch wenigstens ein taktisches Foul begehen.“

Ähnlich verzagt waren die Bemühungen des VfB, den Ausfall des gelbgesperrten Torjägers Vedad Ibisevic vergessen zu machen. Nicht nur bei Shinji Okazaki, der im Sturmzentrum wenig Gefahr ausstrahlte, viel zu selten die Bälle hielt und eine unglückliche Figur abgab. „Wir dürfen uns nicht nur auf Vedad verlassen“, warnte Bruno Labbadia und forderte: „Dann muss halt das Mittelfeld torgefährlicher sein. Shinji sollte extra variabel spielen, damit andere nachrücken konnten.“ Es blieb beim Wunsch: Der VfB hatte ein beeindruckendes Chancenplus, doch die Torschüsse entsprangen mehr der Verlegenheit als wilder Entschlossenheit und Zielgenauigkeit.

Gegen die Bayern soll der Top-Torjäger Ibisevic wieder zuschlagen

„Stuttgart hatte viel Ballbesitz, aber zum Glück nichts draus gemacht“, sagte VfL-Trainer Dieter Hecking, was seinen Kollegen Labbadia nur noch mehr ärgerte. Im Training ermahnt der Trainer seine Spieler pausenlos, konzentrierter und entschlossener den Abschluss zu suchen.

Wie zum Hohn fiel am Sonntag im Trainingsspiel der Ersatzspieler der Siegtreffer in der letzten Sekunde. Torschütze: Vedad Ibisevic. Der Bosnier zeigt vorbildlich Präsenz, von der ersten bis zur letzten Minute. Das wissen auch die Mitspieler, und so sehr sie Shinji Okazaki für dessen Bemühungen lobten – Sicherheit und Zuversicht gibt ihnen nur Ibisevic mit seinem untrüglichen Torriecher. „Shinji hat alles gegeben, aber Vedad macht eben aus wenigen Chancen die Tore“, sagte Tasci. Gegen die Bayern ist die Sperre von Ibisevic abgelaufen, dann soll der Top-Torjäger wieder zuschlagen. „Mit Vedad hoffen wir, dass wir es besser machen“, sagte Martin Harnik mit dem Trikot von Diego unterm Arm, „auch wenn die Bayern übermächtig scheinen, werden wir wie immer versuchen, gegen sie etwas zu holen.“

Das klingt ein wenig wie das berühmte Pfeifen im Walde. Oder wie Entschlossenheit, die mit halbem Herzen vorgetragen wird. Dabei ist eines sicher: Gegen den Rekordmeister braucht der VfB ganze Kerle. Am besten elf davon.