Eve Sigel hofft, dass sie die Abschiebung ihres jesidischen Mitarbeiters abwenden kann. Foto: Greta Gramberg

Die Bäckerei Scholderbeck in Weilheim (Kreis Esslingen) kämpft für einen Mitarbeiter. Der Geflüchtete soll abgeschoben werden. Für Bäckereichefin Eve Sigel eine Ungerechtigkeit: Der Betrieb brauche den jungen Mann, der zudem als Jeside im Irak gefährdet sei.

Die Sorgen sind Eve Sigel anzusehen. Die Chefin der Bäckerei Scholderbeck in Weilheim ist seit Tagen damit beschäftigt, Unterlagen zusammenzusuchen und Menschen mit Einfluss für ihr Anliegen zu gewinnen: Sigel will einen Mitarbeiter vor der Abschiebung bewahren. „Mich nimmt das echt mit“, sagt die Bäckerei-Chefin.

 

Seit mehr als einer Woche ist Hadi Fadel (Name geändert) untergetaucht. Eve Sigel versteht nicht, warum ihr Mitarbeiter abgeschoben werden soll. Personal zu finden, ist auch für die Firma Scholderbeck nicht einfach. Hinzu komme, dass der 22-Jährige sich nichts zuschulden kommen lassen habe, sich bemühe und arbeite. Und nach Sigels Einschätzung droht Fadel aufgrund seiner jesidischen Abstammung im Irak Gefahr.

Fadels Asylantrag wird abgelehnt

Nach gut drei Jahren in Deutschland war vor kurzem sein Asylantrag abgelehnt worden – und Fadel sollte in den Irak ausreisen. In der Nacht auf den 16. April standen um 1.30 Uhr vier Uniformierte vor der Backstube Scholderbeck, um den 22-Jährigen abzuholen. Der war aber nicht da. Wo er sich aufhält, das wissen auch Eve Sigel und ihr Mann Bernd nicht. Denn wer den Aufenthaltsort verschweigt, macht sich strafbar.

Wenn sie über Fadel spricht, findet Sigel nur positive Worte. Der 22-Jährige sei fleißig, äußerst höflich, zugewandt und verstehe sofort, wenn man ihm etwas erkläre. „Die Kolleginnen sind alle völlig konsterniert, weil Hadi abgeschoben werden soll.“

Antisemitismusbeauftrager Blume fordert Abschiebestopp für Jesiden

Nach Sigels Kenntnis besteht für Jesiden im Nordirak noch immer Gefahr, wie auch Organisationen wie Pro Asyl immer wieder betonen. 2014 waren tausende Jesidinnen und Jesiden durch Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) getötet oder verschleppt worden, später erkannte der Bundestag die Verbrechen als Völkermord an. Doch mittlerweile werden jesidische Asylsuchende wieder in den Irak abgeschoben.

Das kritisiert auch der Antisemitismusbeauftragte Baden-Württembergs und frühere Leiter des Sonderkontingentes für besonders schutzbedürftige jesidische Frauen und Kinder, Michael Blume. Er hat deswegen nach eigener Aussage das Bundesverdienstkreuz abgelehnt. Er sei fest davon ausgegangen, dass der Bundestag einen Abschiebestopp für Jesidinnen und Jesiden beschließen würde, die sich rechtstreu in Deutschland integrierten, sagt Blume.

Ausbildungsduldung oder Härtefallkommission

Sigels haben die örtlichen Landes- und Bundespolitiker angeschrieben. Andreas Schwarz, Landtagsabgeordneter (Grüne), findet: „Denjenigen, die hier gut integriert sind, sich an die Regeln halten, einer Erwerbsarbeit nachgehen und bei denen der Arbeitgeber sagt ‚Ich brauche dich’ – denjenigen muss man ein Bleiberecht ermöglichen.“ Jedoch seien den Behörden aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben die Hände gebunden. Er fordert eine entsprechende Gesetzesreform, verbunden mit einer Stichtagsregelung. In Fadels Fall will Schwarz prüfen lassen, ob eine Ausbildungsduldung möglich ist.

Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter, sieht dagegen mit dem geltenden Chancen-Aufenthaltsrecht für viele gut integrierte Geflüchtete bereits eine Lösung. Beim Thema Schutz für Jesiden spielt Schmid den Ball zurück ans Land. „Im Falle der Jesiden gibt es keinen Abschiebestopp, weil unter anderem die Landesregierung von Baden-Württemberg dem nicht zugestimmt hat.“ Es gebe aber eine Bundestagsresolution, wonach Jesiden weiterhin im Rahmen des Asylverfahrens Schutz zu gewähren ist. Er habe die Hoffnung, dass der konkrete Fall aus Weilheim vor die Härtefallkommission des Landes komme und dieses Argument entsprechend Gewicht habe.

Bäckereichefin: „Dieses Ungerechtigkeitsgefühl macht einen mürbe“

„Dieses Ungerechtigkeitsgefühl macht einen mürbe“, sagt Eve Sigel. Foto: Greta Gramberg

Für Eve Sigel ist es nicht der erste Fall, schon zwei Mal wurden in den vergangenen Jahren Mitarbeiter abgeschoben, die sie gerne behalten hätte. „Dieses Ungerechtigkeitsgefühl macht einen mürbe“, sagt Sigel. Sie will eine Petition zu einer Gesetzesänderung beim Bundestag initiieren.