Kritiker argumentieren, dass der Bebauungsplan es verbietet, das ehemalige Pflegeheim Schönberg als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Foto: Archiv Torsten Schöll

Mit der Belegung des ehemaligen Pflegeheims Schönberg mit bis zu 370 Geflüchteten wäre im Stadtbezirk Birkach anteilig zur Einwohnerzahl künftig die mit Abstand größte Menge an Geflüchteten in ganz Stuttgart untergebracht.

Die umstrittene Unterbringung von Flüchtlingen in einem leer stehenden Pflegeheim im Birkacher Stadtteil Schönberg beschäftigt jetzt auch die Landespolitik. Wie der Degerlocher Landtagsabgeordnete Friedrich Haag (FDP) erklärt, hätte durch eine Belegung des ehemaligen Pflege- und Seniorenheims mit maximal 370 Flüchtlingen der Stadtbezirk Birkach anteilig zur Einwohnerzahl in Zukunft die mit Abstand größte Anzahl an Flüchtlingen in ganz Stuttgart. Haag vertritt für die FDP im Landtag den Wahlkreis Stuttgart II, zu dem auch der Bezirk Birkach gehört.

Aus der Beantwortung einer Anfrage Haags an die Landesregierung geht hervor, dass, gemessen an der jeweiligen Einwohnerzahl, bislang Möhringen mit einem Flüchtlingsanteil von 3,9 Prozent der Spitzenreiter unter Stuttgarts Stadtbezirken ist. Den geringsten Anteil hatten demnach die Innenstadtbezirke Ost und West mit jeweils 0,1 Prozent. Der Durchschnitt lag laut Angaben der baden-württembergischen Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) zum Bezugszeitpunkt Ende 2022 insgesamt in Stuttgart bei 1,4 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen nur die in Flüchtlings- und Notunterkünften untergebrachten Menschen. Erkenntnisse darüber, wie viele Geflüchtete in privaten Unterkünften leben, würden nicht vorliegen, steht in der Antwort.

Mit einer Maximalbelegung des ehemaligen Pflegeheims Haus Schönberg würde, erklärt Haag nun, der betreffende Anteil in Birkach von bislang 1,8 Prozent auf 6,9 Prozent steigen. „Fast doppelt so viele wie der bisherige Spitzenreiter Möhringen.“ Der FDP-Landtagsabgeordnete stellt deshalb im Falle des Stadtbezirks Birkach „ein krasses Ungleichgewicht“ fest. „Ich halte es einfach für sinnvoll, die Last relativ gleichmäßig auf den Schultern der Stadtgesellschaft zu verteilen“, sagt Haag. Es sei niemandem geholfen, wenn das Flüchtlingsaufkommen vor Ort einen Stadtteil oder -bezirk mit seiner Infrastruktur überfordere.

Haag spricht von einem „krassen Ungleichgewicht“

Haag betont, dass ihn zahlreiche Schönberger angeschrieben und ihre Sorgen zum Ausdruck gebracht hatten. Dass in Schönberg bezogen auf die Einwohnerzahl um ein Vielfaches mehr Geflüchtete untergebracht werden sollen wie durchschnittlich im Stuttgarter Stadtgebiet, sei „nicht mehr verhältnismäßig“, sagte der Landtagsabgeordnete.

Keine pauschalen Antworten

Die Ministerin betonte in ihrer Stellungnahme, dass es nicht zielführend sei, „eine bestimmte Relation zwischen Einwohnerzahl und der Anzahl der unterzubringenden Geflüchteten abstrakt festzulegen“. Die Frage, welches Verhältnis zwischen Einwohnern und unterzubringenden Flüchtlingen in einzelnen Kommunen oder Stadtteilen angemessen sei, könne „nicht pauschal beantwortet werden“. Neben der reinen Zahl der Geflüchteten spielten demnach auch „die Art der Unterkunft, die Zusammensetzung ihrer Bewohner sowie die jeweiligen örtlichen Verhältnisse eine maßgebliche Rolle“. Eine Einschätzung, wie sich diesbezüglich die Situation konkret in Schönberg darstellt, gab die Ministerin nicht ab.

Wie die Stadt auf Anfrage erklärt, sei die Stellungnahme der Landesregierung mit den zuständigen Referaten im Rathaus „intensiv besprochen worden“. Der Sprecher der Stadt, Sven Matis, unterstrich in diesem Zusammenhang noch einmal die aktuelle Notlage: „Unser Spielraum wird zusehends enger, da brauchbare Immobilien zur Unterbringung vieler Menschen kaum auffindbar und bebaubare Grundstücke Mangelware sind.“ In Bezug auf den Fall Schönberg sagte Matis, dass die Verwaltung auf die Verteilung und ein Gleichgewicht innerhalb der Stadt achte. Dies sei „ein Baustein für stadtweite Akzeptanz“. In Schönberg sehe die Stadt jedoch bei einigen eine empfundene Einengung ihrer Spielräume. „Wir müssen uns schon auch die Augen reiben, wenn ein ‚Erhalt des Villenviertels‘ gefordert wird“, so Matis. Mit einer solchen Formulierung waren zuletzt in Schönberg Unterschriften zur Verhinderung der Unterkunft gesammelt worden.