Seit 2010 gab es vor dem OLG 28 Anklagen und 23 Urteile, vier Prozesse laufen derzeit. (Symbolbild) Foto: dpa

Traumatisiert, ernüchtert oder hochgefährlich? Der Umgang mit IS-Rückkehrern sorgt für Kontroversen. Auf Polizei und Justiz dürfte viel zusätzliche Arbeit zukommen - sowohl bei der Ermittlung von Straftaten als auch bei der Gefahrenabwehr.

Frankfurt/Main - Sie zogen nach Syrien oder in den Irak, um für den Islamischen Staat zu kämpfen - auch aus Deutschland. Einige stehen nach ihrer Rückkehr bereits vor Gericht, andere sind im Nordirak festgesetzt. Wie gefährlich sind diese Menschen? Zumindest von Teilen der Dschihad-Rückkehrer dürfte „eine langfristige und nur schwer einzuschätzende Gefahr aufgrund ihres freiwilligen und zum Teil jahrelangen Aufenthaltes im vom sogenannten IS kontrollierten Gebiet ausgehen“, heißt es dazu beim Bundeskriminalamt (BKA).

In der Wiesbadener Behörde wurde nach Angaben einer Sprecherin eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die polizeiliche Themen koordiniert, die mit der Rückkehr von aus Deutschland in den Irak oder nach Syrien ausgereisten Islamisten zu tun haben. Andere Polizeibehörden stocken derzeit auf, um sich mit dem Thema zu befassen.

Vier Prozesse laufen derzeit

In der Rhein-Main-Region ist die Justiz schon seit Jahren mit Rückkehrern und IS-Sympathisanten befasst. Einer der beiden Staatsschutzsenate des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG) befasst sich nach Angaben einer Gerichtssprecherin nur mit Islamisten-Prozessen.

Schätzungen zufolge wird jeder fünfte Islamistenprozess in Frankfurt verhandelt - eine überdurchschnittlich hohe Zahl, da die Mehrzahl der bisherigen Rückkehrer über den Frankfurter Flughafen wieder nach Deutschland eingereist ist. Seit 2010 gab es vor dem OLG 28 Anklagen und 23 Urteile, vier Prozesse laufen derzeit.

Prozessbeobachtung als Einblick in die Denkweise islamistischer Angeklagter - das ist für Studenten und Wissenschaftler des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam auch ein Forschungsthema. Susanne Schröter, die Leiterin des Zentrums, teilt die BKA-Auffassung, dass von Teilen der Rückkehrer Gefahren ausgehen. „Eine Distanzierung vom IS erfolgt außerordentlich selten“, sagt sie. „Wir werden damit rechnen müssen, dass schwerstradikalisierte Männer und Frauen unter den Rückkehrern sind, Menschen, die aus radikalen Szenen nach Syrien gegangen sind und jetzt wieder in diese Szenen zurück gehen.“

Radikale Kreise durch Rückkehrer personell verstärkt

Zwar könnten Islamisten auch in ihre nicht radikale Herkunftsfamilie zurückkehren, womöglich unter deren Druck, und kämen zu einem Umdenkprozess. Möglich sei aber auch die Gefahr, dass abgeschottete radikale Kreise durch Rückkehrer personell verstärkt werden. „Wenn man zurück kommt aus der Gefangenschaft, bedeutet das einen enormen Statusgewinn“, sagte Schröter. Wer ausgereist sei, sei in dieser Szene „Jemand“, gelte als besonders glaubensfest im Sinne der salafistischen Ideologie.

Ungeachtet der militärischen Niederlagen des IS gebe es in Deutschland einen „ungebremsten Zulauf in dieses Milieu hinein“, sagt die Wissenschaftlerin, zu deren Forschungsschwerpunkten unter anderem Islamismus und Dschihadismus gehören. „Da hat sich etwas verfestigt: eine Haltung absoluter Feindschaft zum Westen, zur Demokratie und zu allen Werten, die wir mit dem Grundgesetz verbinden.“

Keine Spurensicherung in Syrien und im Nordirak

„Wir müssen auf jeden einzelnen Fall schauen, wenn sich die Rückkehr konkretisiert“, meint Hanspeter Mener, Leiter der Kriminaldirektion Frankfurt zu den Herausforderungen, die auf die Polizei zukommen. Für die Ermittler im Rhein-Main-Gebiet seien radikale Islamisten etwa seit 2011 ein Thema bei der Gefahrenabwehr. Die ersten Ausreisen habe es im Jahr 2013 gegeben. „Wir gehen von einer niedrigen zweistelligen Zahl von IS-Kämpfern aus, die noch nicht wieder zurück sind“, so Mener. „Wir versuchen, möglichst vorbereitet zu sein.“

Der Wiedereinreise nach Deutschland folgt nicht unbedingt ein Haftbefehl, und auch in den bisherigen OLG-Prozessen gab es nicht nur lebenslange Freiheitsstrafen, sondern auch Freisprüche. „Wir können keine Spurensicherung in Syrien und im Nordirak betreiben“, nennt Mener eines der Probleme. In den Verfahren kann die Beweislage daher schwierig sein, auch Zeugenaussagen gibt es häufig nicht.

Unabhängig von Strafprozessen dürfte es zudem ein Problem sein, Rückkehrer im Auge zu behalten, vermutet Schröter. „Die Polizei stößt personell an ihre Grenze.“

Eine Überwachung sei auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit, betont Mener. Die Polizei müsse die Anforderung bewältigen, die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen - aber auch das Freiheitsrecht des Einzelnen.