Gerade im Sommer verlieren Bäume unvorhersehbar einzelne Äste, die in vollem Laub stehen. Foto: dpa

Plötzlich kracht es: Gerade im Sommer verlieren Bäume unvorhersehbar einzelne Äste, die in vollem Laub stehen. Für das Phänomen gibt es verschiedene Erklärung. Eine ist die Hitze.

Stuttgart - Ein kurzes Knacken kündigt die Gefahr an, dann stürzt der Ast mit großer Wucht zu Boden: Vor allem an diesen Tagen der Hitze kommt es auch bei gesunden Bäumen immer wieder zu Astbrüchen, die niemand vorhersehen kann. Ohne Sturm oder starken Regen, einfach so, brechen plötzlich grüne Äste.

Was ist ein Grünastbruch?

Vor allem an heißen Tagen kann es bei augenscheinlich gesunden Bäumen zu sogenannten Grünastbrüchen kommen, die niemand vorhersehen kann. Die Hitze mindert die Elastizität von Holzfasern und sorgt dafür, dass ein Ast nachgibt.

Wieso brechen auch kräftige Äste?

„In der jetzigen Hitzeperiode müsste das an vielen Bäumen passiert sein“, sagt Ulrich Weihs, Professor für Baumsachverständigenwesen an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Göttingen. Hauptursache für Astbrüche sei, dass durch die Erwärmung der Astoberfläche die Elastizität der äußeren Holzfasern nachlasse, der Ast instabil werde und versage. Mit der Trockenheit hätte das aber nichts zu tun: „Wenn man Holz trocknet, wird es deutlich tragfähiger.“ Schließlich werde Bauholz aus diesem Grunde extra getrocknet.

Welche Äste sind besonders betroffen?

Betroffen seien vor allem waagerecht stehende Äste, erläutert Weihs. Durch die waagerechte Stellung sei die Hebelwirkung besonders groß. Am ehesten treten Astbrüche bei Weichholzarten wie Pappeln auf. Die Rohdichte ihres Holzes ist geringer als die von Hartholzarten und weniger belastbar.

Wie ist die Lage in den Kommunen?

Vor allem in Norddeutschland sei die Hitze ein großes Problem, sagt Isabel Kling, Sprecherin des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Im Südwesten seien die Buchen besonders betroffen, deren Blätter braun werden und abfallen. „Das ist ein Signal, dass die Bäume ein massives Problem mit der Trockenheit haben. Bei starkem Wind können sie abbrechen.“ In Baden-Württemberg sei das aber nicht der Fall, weil es in den vergangenen Wochen keine Stürme gab.

Warnen Städte bereits vor Astbrüchen?

Wegen der lang anhaltenden Hitze hat die Berliner Umweltverwaltung vor herabfallenden Ästen gewarnt. „Man sollte aufmerksam in der Stadt unterwegs sein und damit rechnen, dass ein Ast herabfallen kann“, rät Referent Derk Ehlert. Die Bundeshauptstadt ist mit rund 440 000 Straßenbäumen eine der grünsten Metropolen Europas. Trotz Hitzewelle gibt es Ehlert zufolge keinen großen Anstieg von Astbrüchen.

Wie gefährlich können Astbrüche sein?

Das hängt in erster Linie von der Größe und dem Gewicht des Astes ab. In der brandenburgischen Stadt Neuruppin warf eine Eiche im Tempelgarten kürzlich einen neun Meter langen und 400 Kilogramm schweren Ast aus zwölf Metern Höhe ab. „Er hat eine eiserne Feuerschale völlig demoliert und ein Festzelt beschädigt“, berichtete der Vorsitzende des Vereins Tempelgarten Neuruppin, Peter Neiß. „Wir können froh sein, dass niemand unter dem Baum gestanden hat.“

Welche Regionen sind besonders betroffen?

Vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen warnen vor herabfallenden Ästen. So hatte Ahaus den Schlossgarten zwei Tage lang für Besucher gesperrt, weil aus den Baumkronen Äste abbrechen konnten. Gütersloh und Paderborn mahnten Passanten zu erhöhter Vorsicht unter Bäumen.

Treten Astbrüche derzeit verstärkt auf?

Experten wie Torsten Drübert vom Vorstand des Fachverbands geprüfter Baumpfleger berichten, dass sie keinen gravierenden Anstieg registriert haben. „Astbrüche gibt es immer wieder, aber nicht in relevanten Größenordnungen“, sagt auch Jan Engel, Sprecher des Landeskompetenzzentrums Forst in Eberswalde. Anders als im Waldbau seien Abbrüche auf Straßen oder in Gärten schon eher ein Risiko. Trotzdem müsse man keine Angst haben, unter Bäumen herzulaufen.

Haben Astbrüche auch positive Seiten?

Bäume können den Verlust einzelner Ästen gut verkraften. Sie trennen sich vor allem von Ästen aus dem unteren Kronenbereich, die von höheren Ästen beschattet werden und keinen Beitrag zur Fotosynthese mehr leisten. Weihs: „Diese Äste kosten mehr Energie, als sie selbst erzeugen.“

Wie ist die Lage im Südwesten?

Wir haben bei Forstämtern, Kommunen, der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) sowie bei Ministerien nachgefragt. Demnach liegen keine Meldungen über herabfallende Äste vor. Generell haben staatliche und private Waldbesitzer eine Sicherungspflicht. Wenn Äste herabfallen, müssen sie dafür Sorge tragen, dass es zu keinen Unfällen kommt.

Apfel- und Pflaumenbäume ächzen unter der Last ihrer Früchte. Was kann man tun?

Laut Isabel Kling holen die Obstbäume „die schlechte Ernte des Vorjahres nach.“ Für die Äste sei das pralle Fruchtangebot eine schwere Last, unter der sie brechen könnten. „Am besten man erntet schon jetzt einiges oder stützt die Äste mit Stangen stützt.“