In der Brusttasche eines Arztkittels stecken ein Stethoskop – und Geldscheine. Durch Betrug im Gesundheitswesen entsteht im Südwesten jedes Jahr ein hoher Schaden. Foto: dpa-Zentralbild

Im Kampf gegen Schummeleien im Gesundheitswesen verlangt der Verband im Südwesten mehr Rechte. Ersatzkassen wollen Betüger härter bestrafen.

Stuttgart - Eine Milliarde Euro. So viel Geld entgeht dem Gesundheitssystem in Deutschland jedes Jahr wegen Betrügereien wie falsche Abrechnungen und Korruption, schätzen die Ersatzkassen im Südwesten. Schummeleien in Baden-Württemberg dürften laut dem Verband der Ersatzkassen (vdek) 150 Millionen Euro ausmachen. „Die Geschädigten sind meist die Krankenkassen und damit auch die Versicherten“, sagt der Leiter des vdek im Land, Walter Scheller. Erfahrungsgemäß erhielten die Kassen aber selbst bei erwiesenem Fehlverhalten bloß einen Bruchteil ihrer Schadensersatzforderungen. Zugleich sei es fast unmöglich, Betrüger von der gesundheitlichen Versorgung auszuschließen, kritisiert Scheller.

Die Ersatzkassen verlangen deshalb mehr Möglichkeiten, um vor allem Schmu bei Pflegediensten besser aufdecken zu können – und auch ein Berufsverbot für Betrüger. „Wir fordern eine Rechtsgrundlage für anlassbezogene Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen“, sagt Scheller. Solche Prüfungen gebe es nur für die häusliche Krankenpflege. „Leistungserbringer, die das Gesundheitssystem vorsätzlich betrügen, müssen konsequent und für immer von der gesundheitlichen Versorgung ausgeschlossen werden. Hierzu brauchen wir effektivere Durchgriffsrechte“, sagt Scheller. Ihm graue bei der Vorstellung, dass Betrug legitim scheint: Pflegediensten könne mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden. „Kündigungen haben wir bereits in der Vergangenheit ausgesprochen. Diese wurden vom Sozialgericht aber für nichtig erklärt.“ Grund: Dem Inhaber des Pflegedienstes würde dadurch die Lebensgrundlage entzogen werden.

Dieses Jahr schon 35 Fälle

Die Ersatzkassen decken im Südwesten jedes Jahr 60 bis 80 Fälle von systematischem Abrechnungsbetrug auf. Im ersten Quartal 2015 waren es bereits 35 Fälle. Im Schnitt bekommen sie jährlich Schadensersatz zwischen 300 000 und 400 000 Euro – der Schaden liege allerdings bei rund einer Million Euro. Scheller betont, dass schwarze Schafe angesichts mehrerer Millionengeprüfter Rechnungen Einzelfälle seien. „Jeder aufgedeckte Betrug stärkt jedoch das Vertrauen ins System und schreckt ab.“

Das Bundesgesundheitsministerium weist auf „weitreichende Prüfungsmöglichkeiten“ in den Pflegeeinrichtungen hin, bei denen auch die Abrechnung der erbrachten Leistungen geprüft werden könne. Dieser Aspekt solle künftig für alle Regelprüfungen verpflichtend vorgegeben werden.

Indes hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf gegen Korruption im Gesundheitswesen verabschiedet. Korrupten Ärzten, Apothekern, Physiotherapeuten oder Pflegekräften drohen demnach bis zu drei Jahren Haft, in besonders schweren Fällen von Bestechung oder Bestechlichkeit fünf Jahre. Das Gesetz soll 2016 in Kraft treten.

Bei den sechs Ersatzkassen, zu denen die Techniker oder die DAK zählen, sind im Land 2,8 Millionen Menschen versichert. Fehlverhalten können sie an manipulationsabwehr@vdek.com melden oder den zuständigen Kranken- oder Pflegekassen.