Hinter der Plane entstehen die neuen Balkone, davor liegen noch Trümmer. Foto: Bock

Auf einer Baustelle in Stetten (Leinfelden-Echterdingen) sind kürzlich zwei Balkone abgestürzt. Passanten wurden Zeugen, wie sich der obere Balkon löste, tosend nach unten stürzte und den anderen mitriss. Doch wie ist so etwas überhaupt möglich?

Stetten - An einem Rohbau am Gräbleswiesenweg war ein Balkon abgebrochen und hatte einen weiteren mit in die Tiefe gerissen. Verletzt wurde niemand. Der Staub, den dieser Vorfall auf der Baustelle aufgewirbelt hat, hat sich inzwischen gelegt. Doch die Anwohner fragen sich nach wie vor, wie es zu dem Unfall kommen konnte und ob so etwas auch am eigenen Haus passieren kann.

Nun äußert sich der Geschäftsführer des verantwortlichen Rohbau-Unternehmens, der anonym bleiben möchte, da die Firma auf der Filderebene beheimatet ist: Ein Mitarbeiter habe die stützende Verschalung zu früh abgebaut. „Bei den Balkonen kam ein unübliches Statikverfahren zur Anwendung, bei dem die Brüstung den Boden des Balkons hält“, sagt der Geschäftsführer. „Wenn man dabei zu früh ausschalt, setzt man eine Kettenreaktion in Gang und alles bricht herunter.“ Der Balkon wird jetzt in einem aufwendigen Verfahren wieder aufgebaut. Dafür wird die haltende Decke ein Stück abgetragen.

Oft sind Einsparungen am Bau die Ursache

Balkone stürzen immer wieder ab. Anders als in Stetten sind häufig nicht menschliche Fehler, sondern Einsparungen am Bau die Ursache. Zuletzt war im Juli 2017 ein Balkon in Nußloch wohl aufgrund durchgerosteter Stahlarmierungen abgebrochen. Ein 33-Jähriger und sein zweijähriger Sohn erlitten damals beim Sturz aus dem zweiten Stock leichte Verletzungen. Einen dramatischen Balkonabsturz gab es vor drei Jahren in der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley. Dort hatten Studenten auf einem Balkon gefeiert, der herunterbrach. Als Ursache hatte ein Gericht Einsparungen beim Baumaterial identifiziert. 13 Studenten stürzten in die Tiefe, sechs von ihnen starben.

Eigentlich gibt es in Deutschland Verfahren, die verhindern sollen, dass Balkone abstürzen. „Ab einer gewissen Gebäudegröße muss ein sogenannter Prüfingenieur bestellt werden, der unabhängig bestätigt, dass die Statik eines Balkons hält, auch wenn er voll besetzt ist“, sagt der Filderstädter Bauingenieur Uwe Koch. Im Stettener Fall hat die Stadt so einen Prüfingenieur bestellt. Dieser hat bestätigt, dass die Balkone richtig geplant waren, und auch, dass nach der Wiederherstellung keine Probleme auftauchen werden.