Interne Dokumente zeigen, wie juristische Auseinandersetzungen und innerparteiliche Querelen die Landes-AfD des Böblinger Kreis-Chefs Markus Frohnmaier belasten. Stein des Anstoßes: Eine vererbte Wohnung, die eine AfD-Funktionärin aus dem Kreis Ludwigsburg ihrem Sohn zuschanzen wollte.
Juristisches Tauziehen, innerparteiliche Kämpfe, schwere Vorwürfe – auch drei Jahre nach dem Tod eines Mannes und einer Erbschaft an die AfD im Kreis Ludwigsburg, schwelen Konflikte in der Partei. Im Fokus der Kritik: Der Ludwigsburger Kreissprecher Martin Hess, der Böblinger Kreis- und Landesvorsitzende Markus Frohnmaier und die ehemalige Landeschefin und jetzige Bundessprecherin Alice Weidel.
Begonnen hatte die ganze Sache im Juni 2021. Ein Mann hatte seine Wohnung in Asperg und seinen weiteren Besitz aus Geld, Gold, Aktien und Münzsammlungen dem AfD-Kreisverband vermacht. Die Kreis-AfD unter der Führung von Martin Hess nahm den Erbschein an und beauftragte einen Makler. Dieser, so heißt es in einer internen Aufzeichnung, soll die 50-Quadrat-Wohnung auf 117 000 Euro geschätzt haben. Offenbar viel zu niedrig, denn ein später beauftragter Gutachter kam auf 157 000 Euro unrenoviert beziehungsweise auf 269 000 Euro – in renoviertem Zustand.
Geschäft sollte vor Neuwahlen über die Bühne gebracht werden
Im Februar 2022 jedoch beschloss der Kreisverband, die Wohnung an den Sohn einer AfD-Funktionärin zu verkaufen – für 120 000 Euro. Der Sohn bekam die Schlüssel und begann, die Immobilie zu renovieren. Der Knackpunkt: Es gab keinen rechtsgültigen Kaufvertrag, denn ein Kreisverband kann keine Immobilie ins Grundbuch eintragen lassen, also war der Sohn auch nicht der rechtmäßige Eigentümer. Wie interne Dokumente zeigen, gab die Kreisfunktionärin trotzdem nicht auf, den Verkauf an ihren Sohn über die Bühne zu bringen.
Schriftlich bat sie im April 2022 einen Notar bei Frankfurt am Main, den Verkauf zu organisieren, denn „es gibt einen Käufer, der auch schon mit der Renovierung angefangen hat“. Außerdem, so die Funktionärin, stünden „Neuwahlen für den Kreisverband“ an. Da es zu Veränderungen kommen werde und keine „weiteren Komplikationen in die Angelegenheit“ gebracht werden sollen, sei in der Sache um den Verkauf Eile geboten.
Für 165 000 Euro wird die Wohnung letztlich verkauft
Doch aus dem Plan wurde nichts, denn jetzt schaltete sich der Landesverband in Gestalt des Böblinger Kreischefs Markus Frohnmaier ein, der mit Alice Weidel im Landesvorstand war. Beim Kaufinteressenten stiegen die Kosten indes weiter: Bis Oktober 2022 soll der Sohn bereits 45 000 Euro investiert haben. Steigende Zinssätze kosteten ihn zusätzliche 30 000 Euro. Wegen der Schwierigkeiten mit dem Grundbuch stockte der Kaufprozess allerdings. Im November 2022 verständigten sich Frohnmaier und Kreisschatzmeister Michael Fischer darauf, dass der „Landesverband einen neuen Erbschein beantragt, um den Verkauf treuhänderisch für den Kreisverband abzuwickeln“, heißt es in dem Vertrag, denn der Landesverband ist im Gegensatz zum Kreisverband rechtsfähig. Am 6. September 2023 gingt die Immobilie schlussendlich über den Ladentisch: Für 165 000 Euro, der Käufer ist unbekannt.
„Gütliche“ Einigung vor dem Landgericht
Daraufhin verklagte der Sohn die Landes-AfD, weil ihm 112 000 Euro entgangen seien, also die Differenz zwischen dem Wert unrenovierter und renovierter Wohnung. Vor zwei Wochen einigten sich die AfD und der Sohn „gütlich“, wie das Landgericht Stuttgart und der Sohn der Funktionärin bestätigen. Martin Hess teilt auf Anfrage mit, der Sohn habe 25 000 Euro aus dem Vergleich erhalten. Einen finanziellen Verlust, wie von Kritikern in den eigenen Reihen formuliert, habe die Partei nicht erlitten, sagt Martin Hess: „Durch die Kernsanierung der Wohnung ist vielmehr eine Wertsteigerung erfolgt, wodurch ein wesentlich höherer Verkaufspreis erzielt werden konnte.“
Damit war allerdings keineswegs Ruhe im Landesverband eingekehrt, wie Insider berichten. Versuche, die Immobilien-Causa auch intern aufzuklären, seien abgeblockt, Anfragen und Anträge an den Landesvorstand teils in harschem Ton zurückgewiesen worden. Das besagen Aussagen von Parteiinsidern und Protokolle aus Sitzungen auf Landesebene. Immer wieder sei von Seiten der Landesspitze um Markus Frohnmaier, Martin Hess und Emil Sänze darauf hingewiesen worden, dass die Erbschaft allein Sache des Landes- und des Kreisvorstands sei.
Kreisvorstände räumen Fehler ein
Dass in dem umstrittenen Erbschaftsfall offenbar nicht alles vorbildlich ablief, erkennt Emil Sänze an: „Es sind anfangs handwerkliche Fehler gemacht worden. Im Rückblick hätte man die Wohnung für alle Kreismitglieder ausschreiben sollen. Dann hätte es dieses Geschmäckle nicht gegeben.“ Auch Martin Hess räumt ein: „Es kam im Verlauf der Erbabwicklung zu individuellen Fehlern zweier Mitglieder des Kreisvorstandes. So erfolgte die Schlüsselübergabe an den Kaufinteressenten als auch die Freigabe zur Entkernung ohne Vorstandsbeschluss.“ Auf die Frage, warum dem Sohn überhaupt die Schlüssel übergeben wurden, antwortet Sänze: „Der Sohn wollte die Wohnung entrümpeln.“ Außerdem, so Hess, ging man davon aus, dass der Kauf zustande kommen würde.
Die Handhabung der Erbschaft, so der Co-Landeschef, habe auch Konsequenzen gehabt. Die verantwortlichen Personen, darunter die Kreisfunktionärin, deren Sohn die Wohnung hätte kaufen wollen, wie auch weitere Kreisvorstände, seien bei den Vorstandswahlen nicht mehr angetreten, erklärt Sänze. Parteischädigend hätten sich andere verhalten, unterstreicht Hess, und zwar die auf dem letzten Parteitag schließlich abgewählten Vorstandsmitglieder.
Brandbrief sieben ehemaliger Landesvorstände
Dass das Thema für Krach sorgte, führen Sänze und Hess eher auf Machtkämpfe denn gerechtfertigte Kritik zurück. „Das sind Versuche, etwas zu konstruieren. Diese Leute sollten sich an ihre eigene Nase fassen“, sagt Sänze. Martin Hess sagt: „Es handelt es sich um eine Diffamierungskampagne ehemaliger Landesvorstandsmitglieder, um Konkurrenten zu diskreditieren. Die Verantwortlichen sind auf dem letzten Landesparteitag für dieses Verhalten abgewählt worden.“
Dabei spielt Hess auf den Brandbrief sieben ehemaliger Landesvorstandsmitglieder kurz vor dem Sonderparteitag in Rottweil im Februar 2024 an. Die uns vorliegenden Schriftstücke zeigen: Hess versuchte damals einen Antrag einzubringen, der explizit gegen diese Kritiker gerichtet war. Darin drohte er den Parteikollegen mit Regressansprüchen und Ausschlussverfahren. Am Ende wurde der Antrag zurückgezogen.
Würde sich der Erblasser im Grabe umdrehen?
Auch wenn die rechtlichen Auseinandersetzungen mit der außergerichtlichen Einigung zunächst abgeschlossen sind, scheint das Tischtuch zwischen einigen Parteimitgliedern und dem Landesvorstand um Markus Frohnmaier zerschnitten. Das verdeutlicht auch ein Fazit eines AfD-Parteimitlieds in einem Dokument, das die Erbschaftssache zusammenfasst: „Ergebnis der Darstellung: vom Traumerbe zum Albtraum. Der Erblasser würde sich nicht nur für die AfD schämen – er würde sich im Grabe drehen.“