Ein Todesfall, der viel mediales Interesse auf sich zieht – wie der der Polizistin Michele Kiesewetter im Jahr 2007 – lässt den Angehörigen wenig Ruhe zur Trauer. Foto: dpa

Der Tod eines Beamten im Dienst ist ein schwerer Schlag für Angehörige und Kollegen. Der Seelsorger Ulrich Enders erklärt, wie die Polizei damit umgeht.

Stuttgart - Wenn ein Polizist im Dienst ums Leben kommt, ist das ein schwerer Schicksalsschlag für Familie, Freunde und Kollegen. Der Polizeiseelsorger Ulrich Enders findet, dass sich der Umgang der Polizei mit Angst und Trauer positiv verändert hat.

Herr Enders, es ist immer schwierig, den Tod eines Freundes oder Angehörigen zu verkraften. Kommt beim Tod eines Polizisten im Dienst eine weitere Belastung hinzu?
Das ist dann besonders der Fall, wenn die mediale Dimension hinzutritt. Zum Beispiel, wenn ein Polizeibeamter im Zusammenhang mit einem terroristischen Hintergrund ermordet wird, wie 1977 die drei getöteten Beamten bei der Schleyer-Entführung oder die Polizistin Michelle Kiesewetter, die 2007 ein Opfer des nationalsozialistischen Untergrundes wurde und auf der Theresienwiese in Heilbronn erschossen wurde. Dann stehen die Angehörigen über Wochen und Monate im Rampenlicht einer oft unbarmherzigen Öffentlichkeit, anstatt in Stille trauern zu können.
Polizisten sind hart im Nehmen: Das ist die Erwartungshaltung. Lassen die Kollegen sich nach einem Todesfall trotzdem helfen oder heulen sich auch einfach mal aus?
Da hat sich vieles zum Guten verändert. Die Polizei in Baden-Württemberg verfügt seit einigen Jahren über ein Netzwerk von Hilfsangeboten zur Trauerbewältigung. So haben sich neben und zusammen mit der Polizeiseelsorge inzwischen auch gut ausgebildete psychosoziale Berater innerhalb der Polizei etabliert. Alle Polizeipräsidien haben mindestens einen Beamten dafür ausgebildet und freigestellt. Im Nebenamt kommen weitere dazu.
Wie gehen Sie auf Angehörige und Kollegen nach einem Todesfall zu?
Es ist guter Standard, dass der Vorgesetzte der Dienstgruppe des zu Tode gekommen Polizisten mindestens einen Termin anberaumt, bei dem der Kreis der betroffenen Kolleginnen und Kollegen gemeinsam mit einem der psychosozialen Unterstützer aus der Polizei und einem der Polizeiseelsorger den Tod und den Verlust in ersten Schritten aufarbeitet. Den Angehörigen wird kondoliert und Begleitung angeboten, sofern gewünscht. Auch die Trauerfeier für den Polizisten wird auf Wunsch mit der Polizeiseelsorge und unter Beteiligung der Präsidiumsführung vorbereitet und gehalten.
Es haben sich auch schon Beamte mit der Dienstwaffe das Leben genommen. Ist Suizid im Dienst ein Tabuthema?
Suizid im Dienst ist natürlich ein sehr sensibles Thema. Es macht einen großen Unterschied, ob sich jemand privat und abgeschieden das Leben nimmt, oder mit der Dienstpistole im Bereich der Polizei. Zumindest steht damit ja die Annahme im Raum, dass der Suizid und die berufliche Situation in einem Zusammenhang stehen könnten. Entsprechend ist gerade hier eine konsequente gemeinsame Aufarbeitung nach dem oben geschilderten Ablauf in aller Offenheit und Transparenz vonnöten. Die Polizeiführung achtet sehr genau darauf, dass dies tatsächlich so geschieht.
Sprechen Beamte auch mal aus, dass sie im Einsatz Todesangst haben oder hatten?
Es ist gut und wichtig, dass sie das tun und nicht verdrängen. Natürlich trägt man so eine intime Angst nicht zur Schau. Es braucht dafür den Schutzraum im Gespräch mit Kollegen des Vertrauens oder auch den Schutzraum des Seelsorgegeheimnisses, den die Polizeiseelsorge anbietet. Dieser wird durchaus genutzt.
Was raten Sie Vorgesetzten in solchen Ausnahmesituationen?
Offen, einfühlsam und empathisch auf alle Betroffenen zuzugehen und das Gespräch mit ihnen zu suchen, gegebenenfalls Freiräume zur Aufarbeitung zu ermöglichen – auch wenn die Personaldecke dünn ist.
Wie können der Glaube beziehungsweise die Seelsorge Polizisten in den genannten Extremsituationen helfen?
Die Seelsorge nimmt zunächst mal die Härte des Todes und die damit verbundene Trauerarbeit sehr ernst. Zugleich öffnet der Glaube einen Horizont der Hoffnung, dass der Tod in unserem Leben nicht das letzte Wort hat, sondern dass ein Gott da ist, aus dessen Hand auch im Tode niemand fällt. Auch dann nicht, wenn schwerste Schuldbelastungen im Zusammenhang mit dem Todesfall stehen. Die christliche Tradition schöpft hier aus einem Fundus, den wir uns nicht einfach selber geben können.