Mahnwache zum Gedenken an die sieben Toten des Brandanschlags Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Am Mittwochabend gedachte eine Mahnwache der Opfer der Brandstiftung in der Geißstraße vor 28 Jahren.

Sieben Kerzen flackern im Halbkreis vor dem Gebäude Geißstraße 7. Sie stehen für die Menschen, die am 16. März 1994 bei einem Brand ums Leben kamen, den der 24-jährige Andreas H. damals gelegt hatte. Am Mittwochabend erinnert das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus an die Opfer. Für Dagmar Özuysal-Neu steht fest, dass der Täter aus rassistischen Motiven gehandelt hat. Es sei unwahrscheinlich, dass er erst später eine rechte Gesinnung an den Tag gelegt habe, als er in Esslingen Feuer legte und Bekennerschreiben mit Hakenkreuzen und entsprechenden Parolen zurückließ. 1996 wurde H. zu 15 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Diese dauert an.

Gut ein Dutzend Menschen ist zusammengekommen, um der Ereignisse vor 28 Jahren zu gedenken, die auch den katastrophalen Wohnverhältnissen im Haus geschuldet waren. Rund 50 Personen hätten damals in der Geißstraße 7 gelebt, erinnert sich Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin Stuttgart-Mitte, die an der Mahnwache im Zuge der Aktionswochen gegen Rassismus teilnimmt. Die Pächter und Unterpächter hätten damals rücksichtslos umgebaut und vermietet – zu horrenden Preisen. Özuysal-Neu spricht von dubiosen Mietverträgen, mit denen vor allem Arbeitsmigranten einquartiert wurden. Sie ist sich sicher, dass dem Täter die Herkunft der Bewohner bewusst war.

„Klare Benennung des Motivs Rassismus“

Ihr Nachredner unterstreicht diese Sichtweise, indem er den Brand im gleichen Atemzug mit den fremdenfeindlichen Anschlägen von Hoyerswerda (1991), Mölln (1992) und Solingen (1993) nennt. Die Asyldebatte, die politischen Erfolge der Republikaner, Wirtschaftskrise und Parolen wie „Das Boot ist voll“ hätten in dieser Zeit für ein Klima gesorgt, das Taten wie die Brandstiftung in der Geißstraße, bei der 16 Menschen teils schwer verletzt wurden, begünstigt habe. Dagmar Özuysal-Neu mahnt an, genau hinzusehen, wenn rassistische Beweggründe von vornherein geleugnet würden. Bei Aufstehen gegen Rassismus wünscht man sich eine klare Benennung des Motivs Rassismus auf der Gedenktafel am Gebäude. Dass der Brandanschlag als „größte Katastrophe in Stuttgart seit dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnet wird, empfindet man als Verschleierung der Tatsachen. Das klinge, als habe es sich um ein Naturereignis gehandelt, sagt Özuysal-Neu. Eine Entschädigung der Überlebenden stehe nach wie vor aus.

Im Gebäude finden sich heute Wohnungen für sozial benachteiligte Menschen. Vergeben werden sie von der Stiftung Geißstraße, die das Gebäude noch 1994 vom Eigentümer, der Hofbräu AG, als Schenkung erhielt.