An der Kreuzkirche erinnert die Gedenkinitiative an Otto Schober. Foto: Kulturamt Nürtingen

Otto Schober sah sich als freien Menschen. Nach dem Ende der NS-Herrschaft engagierte sich der Wolfschlugener auf vielfältige Weise für das Gemeinwesen.

Wolfschlugen/Nürtingen - Im KZ Heuberg gab es kaum eine Verbindung nach Hause. Schreiben war eingeschränkt, Besuch nicht erlaubt, Schikanen gang und gäbe. Zum Essen gab es Malzkaffee und „ein halbes Rädle Brot“. Drei Eimer dienten für dreißig Mann im Raum als Toilette. Die Häftlinge kamen verwahrlost und ausgemergelt aus dem KZ zurück“ – so beschreibt Iris Raupp von der Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen die schlimmen Zustände, denen sich Otto Schober und seine Mithäftlinge im KZ Heuberg ausgesetzt sahen.

Iris Raupp hat das Leben von Otto Schober recherchiert, der im Jahr 1900 in Wolfschlugen geboren wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde wurde. Sein Großvater war im Ort der erste Post-Spediteur der Königlich-Württembergischen Post. Nach seiner Mechaniker-Lehre bei Heller in Nürtingen arbeitete Otto Schober bei der Daimler Motorengesellschaft in Untertürkheim im Flugzeug-Motorenbau.

Bei der Begradigung der Aich barfuß zur Arbeit gezwungen

Schon von 1921 an engagierte sich Otto Schober in der Gewerkschaft. Er war Mitglied der SPD, der Arbeiterwohlfahrt und der Naturfreunde, Orts-Gemeinderat von 1928 an und im Vorstand des Arbeiter-, Turn- und Sportvereins. Sein Vater habe sich als freier Mensch gesehen, so sein jüngster Sohn. Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler war es mit der Freiheit jedoch aus. Am 2. April 1933 wurde Otto Schober verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen auf dem Heuberg.

Aus dem KZ entlassen, setzte sich das Martyrium Otto Schobers fort. Er wurde gezwungen, ohne Schuhe bei der Begradigung der Aich mitzuarbeiten. „Das Volkslied des Oberensinger Pfarrerssohns Friedrich Glück ,In einem kühlen Grunde. . .‘ bekam nun für ihn eine ganz andere Bedeutung. Zuletzt wurde er bis Kriegsende einer Munitions-Fabrik in Uhingen zur Arbeit zugewiesen. Seine Frau überlebte mit ihren drei Kindern nur durch Mithilfe bei ihrer Mutter in der Landwirtschaft“, schreibt Iris Raupp von der Gedenkinitiative.

Die amerikanische Verwaltung setzte Otto Schober noch im Jahr des Kriegsendes als kommissarischen Bürgermeister von Wolfschlugen ein. „Eine seiner ersten Amtshandlungen war eine Weihnachtsfeier im ,Löwen‘ für die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen“, so Iris Raupp. Die Unterbringung durch Zuweisung von Wohnraum habe dem Schultes „nicht nur Freunde eingebracht“. Gleichwohl wurde Otto Schober im Jahr 1946 bei demokratischen Wahlen in seinem Amt bestätigt.

Keinen Antrag auf Wiedergutmachung gestellt

Die Lebensmittel- und Wasserversorgung, der Wiederaufbau der von den Nazis zerschlagenen Orts- und Gemeinschaftsstrukturen, ein Dach über dem Kopf und Lehrer für die Schule – solch existenzielle Fragen standen bis zur Währungsreform 1948 im Vordergrund. Der Bürgermeister trieb die Straßenbahn-Anbindung an Esslingen und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Ansiedlung von Firmen wie Festo voran. Dennoch reichte es ihm nicht zur Wiederwahl.

Als Gewerkschafter engagierte sich Otto Schober beim Wiederaufbau der Gewerkschaftsarbeit und der Firmen, die von Kriegs- auf Zivilgüterproduktion umgestellt werden mussten, sowie für die Unterstützung der Familien der Kriegsgefallenen. Bis 1964 war er Bevollmächtigter im IG-Metall-Kreisverband Esslingen. Für die SPD war er 25 Jahre im Kreistag Nürtingen aktiv. „Einen Antrag auf Wiedergutmachung gab er nicht ab. Erst bei der Trauerfeier 1983 erfuhr seine Familie, wie sehr sein politisches und soziales Engagement von zahlreichen Organisationen und Vereinen geschätzt war“, so Iris Raupp.