Mitglieder des Vereins Denk-Zeichen reagierten fassungslos auf den Diebstahl. Foto: Horst Rudel

Zwei Gedenktafeln für NS-Opfer waren in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember aus dem Gehweg in der Obertorstraße 45 in Esslingen gestohlen worden. Nun wurden die beiden Stolpersteine bei einem Polizeieinsatz sichergestellt.

Esslingen - Viele reagierten betroffen, als bekannt wurde, dass in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember zwei Gedenktafeln aus dem Gehweg in der Obertorstraße 45 in Esslingen herausgebrochen und gestohlen worden waren. Nun konnte die Polizei einen Fahndungserfolg vermelden: Bei einem anderen Einsatz in einem städtischen Wohnheim entdeckten aufmerksame Polizeibeamte im Zimmer eines 42-jährigen Bewohners zufällig die beiden gestohlenen Stolpersteine. Gegen den polizeibekannten Mann wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf einen besonders schweren Fall des Diebstahls eingeleitet. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar – die Ermittlungen des Staatsschutzes bei der Kriminalpolizeidirektion Esslingen dauern an.

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Vor dem Gebäude Obertorstraße 45 in der östlichen Esslinger Altstadt erinnern drei Stolpersteine an die NS-Opfer Jette Löwenthal, Ilse Löwenthal und Rosalie Oppenheimer, die dort gelebt hatten, ehe sie von den Nazis deportiert und ermordet wurden. Gestohlen wurden Anfang Dezember die Gedenktafeln für Jette und Ilse Löwenthal, der dritte Stolperstein blieb unangetastet. Um möglichst rasch ein Signal zu setzen, hat der Verein Denk-Zeichen sofort zwei neue Gedenktafeln beim Künstler Gunter Demnig in Auftrag gegeben. „Entscheidend ist, dass wir diesen Akt des Vandalismus – ob er nun politisch oder anders motiviert sein mag – nicht zulassen“, hatte Denk-Zeichen-Vorstandsmitglied Reinhold Riedel damals im Gespräch mit unserer Zeitung betont. „Falls jemand versucht haben sollte, die Erinnerung auszulöschen, hat er mit dieser Tat das Gegenteil erreicht.“

Hintergründe im Dunklen

Welche Rolle der nun ermittelte 42-Jährige bei der Tat genau gespielt hat und welche Motivation hinter dem Diebstahl der Stolpersteine steckte, müssen die weiteren Ermittlungen zeigen. Einen politischen Hintergrund konnte ein Polizeisprecher bislang weder bestätigen noch ausschließen. Der nächtliche Einsatz zweier Polizeistreifen im Wohnheim hatte einer tätlichen Auseinandersetzung gegolten – dass die Stolpersteine dennoch entdeckt wurden, war der Aufmerksamkeit der beteiligten Beamten zu verdanken. Die wiederentdeckten Gedenktafeln sind nach Polizeiangaben schwer beschädigt und können nicht wieder eingepasst werden. Doch die neuen Stolpersteine für Jette und Ilse Löwenthal wurden vom Künstler Gunter Demnig bereits geliefert und werden in der kommenden Woche wieder eingesetzt.

Stolpersteine zur Erinnerung

Gedenken
 Der Künstler Gunter Demnig hat ein Projekt initiiert, das an die Opfer der NS-Zeit erinnert – Juden, politisch Verfolgte, Euthanasieopfer, Zwangsarbeiter, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Sinti und Roma.

Tafeln
Demnig erweist ihnen die Ehre, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Gehweg einlässt. Seine Stolpersteine liegen bundesweit in 1265 Kommunen und in 21 Ländern Europas. Auch in Esslingen erinnern Stolpersteine an Opfer der NS-Zeit.