Der evangelische Stiftskirchenpfarrer Matthias Vosseler und der katholische Stadtdekan Christian Hermes fordern, praktische Konsequenzen aus der Pandemie zu ziehen.
Stuttgart - Wie gedenkt man der Coronatoten angemessen? In Stuttgart treffen sich (wie berichtet) auf Anregung des Journalisten Joe Bauer jeweils sonntagabends Menschen nach Berliner Vorbild am Marienplatz zu einem stillen Gedenken. Dazu gibt es in den sozialen Medien den Hashtag #coronatotesichtbarmachen.
Auch die Kirchen in Stuttgart beschäftigen sich mit dem Thema – ausgehend von den Bürgeraktionen und einem Vorschlag von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, Kerzen für die Verstorbenen ins Fenster zu stellen.
Der evangelische Stiftskirchenpfarrer Matthias Vosseler hält diesen Vorschlag für gut, sagt aber auch: „Ich selbst bin kein ‚Kerzen-ins-Fenster-Steller‘ – schon wegen der Brandgefahr. Für ihn sind Kerzen „auf Dauer zu wenig. Sie verlöschen irgendwann“. Wichtiger sei ihm das regelmäßige Gebet: „Ich schließe das Gedenken an die Verstorbenen, ihre Angehörigen, alle in Krankenhäusern und Pflegeheimen Arbeitenden täglich ins Abendgebet ein.“
„Die Ampeln werden nicht einfach irgendwann wieder auf Grün gehen“
Vosseler regt überdies einen Gedenkgottesdienst an, „wenn es in großer Form wieder möglich ist. Das sollte in jedem Fall sein“. In diesem Rahmen müsse man auch fragen, „in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben möchten. Die Ampeln werden nicht einfach irgendwann wieder auf Grün gehen. Und dann startet man durch, als wäre nichts gewesen.“
In der Stiftskirche selbst soll laut Vosseler ab März die Darstellung eines Passionswegs zu sehen sein. „Wir wollen ein Kreuz aus alten Holzplanken aufzustellen, in das Nägel gehauen sind – auch zur Erinnerung an die Wunden, die das Coronageschehen in vielfacher Hinsicht gerissen hat“, sagt der Stiftskirchenpfarrer. An dem Kreuz soll eine unvollendete Ikone des bulgarischen Malers Svetlik zu sehen sein, der am Karfreitag vergangenen Jahres verstorben war.
„Wichtiger ist es, ausreichende Testkapazitäten zu organisieren“
Auch der katholische Stadtdekan Christian Hermes kann dem Steinmeier-Vorschlag etwas abgewinnen, merkt einschränkend jedoch an: „Natürlich ist die Frage bei solchen symbolischen Aktionen immer, was sie wirklich beitragen, um als Gesellschaft ein Bewusstsein für die vielen Verstorbenen zu schaffen.“ Da dürfe man es sich nicht zu einfach machen. „Es ist ein bisschen wie das Klatschen für die Pflegekräfte. Applaus ist gut, anständige Bezahlung aber besser.“ Wichtiger als ein Licht im Fenster aufzustellen sei es, ausreichende Testkapazitäten in den Heimen und die Klärung der Kostenübernahme mit den Trägern der Altenhilfe zu organisieren, meint der Stadtdekan. Außerdem müsse man ermöglichen, dass Angehörige in angemessener Form Abschied nehmen könnten.
Hermes fügt hinzu: „Für unsere Einrichtungen des Caritasverbandes habe ich angeboten, für die seit November mehr als 60 an oder in Verbindung mit Corona Verstorbenen in unseren Häusern einen Gedenkgottesdienst zu feiern. Das wird derzeit im Verband geklärt.“
Einige konkrete Daten stehen bereits: Am 28. Februar wird es laut evangelischer Landeskirche in Württemberg einen vom SWR-Fernsehen übertragenden Gottesdienst der beiden Landesbischöfe Frank Otfried July (Württemberg) und Jochen Cornelius-Bundschuh (Baden) in Pforzheim geben. Eine zentrale Gedenkfeier für die Todesopfer der Corona-Pandemie wird am 18. April auf Initiative des Bundespräsidenten in Berlin stattfinden.