Brainwalking-Trainer Karl Deger-Föll führt sein Publikum jede Übung persönlich vor. Die Aufgabe: Beim Laufen den roten Ball werfen und fangen – und gleichzeitig nur jeden zweiten Buchstaben im Wort „November“ buchstabieren. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Eine Seniorengruppe im Wald, die Knobelaufgaben löst? Was auf den ersten Blick seltsam erscheint, ist ein ausgeklügeltest Konzept: Beim Brainwalking werden körperliche und geistige Fitness gleichzeitig trainiert.

Stuttgart - Rückwärtsgehen, den Ball hochwerfen und gleichzeitig auch noch das Wort „Novemberwetter“ buchstabieren – was Karl Deger-Föll an diesem Montagmorgen von seinen Besuchern auf der Seniorenmesse in Stuttgart fordert, erinnert so gar nicht an gemächliche Seniorengymnastik – sondern vielmehr an ein sanftes Bootcamp für Gedächtnistraining. Mit dem sogenannten Brainwalking, das Spazierengehen fürs Gehirn, will der 88-Jährige mit seiner Frau Elfie durch Training die Sinne von Senioren stimulieren und dabei Demenz vorbeugen – frei nach dem Motto: Wer rastet, der rostet.

Knobelaufgaben beim Spazierengehen

Das Ehepaar Deger-Föll leitet die Seniorenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz in Heilbronn und bietet dort für ältere Semester die Brainwalking-Kurse an. Die sollen die körperliche und geistige Fitness ankurbeln, Koordination mit Konzentration verbinden und Tast- und Geruchssinn schärfen. Die Kurse basieren auf dem Konzept des „Mentalen Aktivierungstrainings“, kurz MAT, das von der Gesellschaft für Gehirntraining in Erlangen entwickelt wurde und seit zwei Jahrzehnten praktiziert wird. Das mentale Training trägt dazu bei, die geistige Fitness zu erhalten und gezielt zu fördern. Die lässt sich besonders gut an der frischen Luft in Kombination mit sanfter Bewegung trainieren, die laut den Erfindern des Brainwalking die Leistung des Gehirns um 20 Prozent steigert. Die Brainwalker lösen deshalb Denkaufgaben beim Spazierengehen im Park oder im Wald. Dafür braucht es beide Gehirnhälften gleichzeitig, die so miteinander vernetzt werden.

Zusammenspiel zwischen Körper und Geist

„Ich mache einmal wöchentlich mit meinen Bewohnern Gedächtnistraining“, erklärt Marion Cottim, die immer wieder nach neuen Ideen für ihr eigenes Programm sucht. Die Alltagsbegleiterin arbeitet in einer Seniorenresidenz des Arbeiter-Samariter-Bunds im Stuttgarter Westen und hat selbst eine Sportausbildung, mehrmals in der Woche begleitet sie ihre Bewohner auf Ausflügen ins Theater oder zum Sport. Mit zunehmendem Alter aber baut nicht nur die körperliche Fitness ab, sondern auch das Kurzzeitgedächtnis. Auch deshalb will das Ehepaar Deger-Föll besonders auf das Zusammenspiel zwischen Bewegung und Konzentration aufmerksam machen und zeigen: Das Konzept, das sanfte Bewegung in der Natur mit kniffeligen Denkaufgaben kombiniert, eignet sich hervorragend dafür, sich bis ins hohe Alter fit zu halten.

Balance halten

„Bleiben Sie nie stehen!“, ruft Karl Deger-Föll den Senioren zu, die mit viel Eifer seinen Anweisungen folgen und sichtlich Spaß an der Übung haben. Und weil der aktive Rentner an diesem Morgen gerade einmal 30 Minuten Zeit hat, um die Besucher für das wortwörtliche Gehirnjogging zu begeistern, schraubt er das Tempo weiter nach oben. Was folgt ist eine Übung für den Gleichgewichtssinn, die das Ehepaar oft in Seniorenheimen anbietet. Denn besonders im Alter lässt der Sinn für eine ausgewogene Balance nach und verursacht oft schwere Stürze.

„Geistige Fitness kommt nicht einfach so, man muss was dafür tun“, spornt Deger-Föll an, während er die letzte Übung vorführt. Dabei wird deutlich, dass der 88-Jährige selbst der beste Beweis dafür ist, wie fit das Spazierengehen fürs Gehirn wirklich macht: Auf den ausgestrecktem Arm legt Deger-Föll ein kleines Blatt auf seinen Handrücken, das er beim Umherlaufen vorsichtig auf den anderen Arm schiebt. Für viel Erheiterung sorgt dann die letzte Anweisung: Das eigene Blatt beim Laufen abgeben, und zwar auf die Hand des Nachbarn, der natürlich mitlaufen muss.