Große Pläne in Brackenheim: Die „Wein-Zeit“ mit Schloss samt neuem Anbau. Der Komplex entsteht neben dem Geburtshaus von Theodor Heuss. Foto: vogt.heller Architekten

Die Geburtsstadt des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss hegt große Pläne: sie will die Rotweingemeinde der Republik werden.

Brackenheim - Brackenheim ist die größte Rotweinanbaugemeinde Deutschlands, bekannt als Lembergermetropole – und der Geburtsort von Theodor Heuss. Die Idee, die alte Oberamtsstadt zu „der“ Rotweingemeinde der Republik schlechthin zu entwickeln, war naheliegend und ist nicht mehr ganz neu. Im verflixten siebten Jahr aller Bemühungen darum ist die Stadt im Kreis Heilbronn nach etlichen Rückschlägen nun aber auf der Ziellinie angekommen: Unter dem Titel „Wein-Zeit“ ist eine Weinerlebniswelt geplant, wie es sie in dieser Form bisher sonst kaum irgendwo gibt. Im alten Schloss und einem architektonisch anspruchsvollen Anbau soll eine Verbindung geschlagen werden von Weingeschichte und Weingenuss, von Kultur und Gastronomie. Die Einrichtung könnte, so die Hoffnung vor Ort, weit über den Landkreis Heilbronn hinaus wirken – und idealerweise vor allem noch mehr Touristen nach Brackenheim locken.

Rückendeckung im Gemeinderat

Der Bürgermeister Rolf Kieser verweist darauf, dass die 16 000 Einwohner zählende Kommune in Stundenfrist sowohl von Mannheim als auch von Stuttgart oder von Karlsruhe aus erreichbar ist. Diese Gunst der Lage garantiere schon jetzt viele Besucher. Doch künftig sollen es nach Kiesers Willen noch deutlich mehr werden. Fest steht: Ohne den langen Atem des Rathauschefs wäre das Projekt der „Wein-Zeit“ wohl kaum gediehen, wenngleich der Gemeinderat fast einstimmig Rückendeckung gegeben hat. Dies auch deshalb, weil Kieser sein Versprechen einer Finanzierung wahr gemacht hat, bei der die Stadt – wie seit 2010 – weiterhin schuldenfrei bleibt.

Drei Millionen Euro bringt Brackenheim selbst auf, dazu kommen vom Land Zuschüsse in etwa gleicher Höhe für die „städtebauliche Erneuerungsmaßnahme“. Der künftige Betreiber des Hotels und der Gastronomie muss für den Ausbau 4,3 Millionen Euro selbst berappen. Die Ausschreibung dazu erfolgt europaweit, Kieser rechnet mit einem Ergebnis und dann dem Baustart im Frühjahr 2017. Ein Wunsch-Investor ist aber schon ausgemacht: Bei dem Pforzheimer Wolfgang Scheidtweiler, Besitzer mehrerer Brauereien und Vier-Sterne-Hotels, wüsste man, was zu erwarten wäre, heißt es bei den Stadtoberen.

Im Übrigen funktioniert das Schloss schon jetzt als Kulturzentrum mit Bühne. Und das soll so bleiben. Hinzukommen sollen eine große Vinothek und im imposanten Gewölbekeller aus dem Mittelalter eine multimediale Dauerausstellung zum Thema Wein. Dafür ist Kieser ein besonderer Coup geglückt: Exponate der Ausstellung „Weinzeit“ des Hauses der Geschichte in Stuttgart von 2006 bilden die Basis.

Das klingt vielversprechend. Dabei hätte ein Architekturwettbewerb mit unbefriedigendem Ergebnis das ambitionierte Millionenprojekt fast schon scheitern lassen, ehe ein Alternativvorschlag der Neckarsulmer Architekten Vogt und Heller, der zeitgemäße Architektur mit der des Renaissanceschlosses verbindet, doch noch allgemeine Zustimmung fand.

Schloss jetzt in den Händen der Stadt

Das Schloss zu erwerben war die erste Voraussetzung für die „Wein-Zeit“ gewesen. Der Kauf gelang der Stadt nach zähen Verhandlungen mit dem Land, das solche Immobilien eigentlich nicht veräußert. Es diente früher adeligen Damen als Witwensitz, war später Oberamtssitz und zuletzt Heimstatt des Ein-Mann-Amtsgerichts und der Polizei. Die Ordnungshüter sind inzwischen weniger feudal, dafür zeitgemäß untergebracht, auch diese Lösung war Voraussetzung für die „Wein-Zeit“.

Das Schloss und der Neubau liegen nicht nur am Eingang zur Altstadt mit vielen schönen Fachwerkbauten, sondern vor allem in unmittelbarer Nachbarschaft zum Theodor-Heuss-Museum, das an der Stelle seines Geburtshauses steht. Schon heute blickt der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland als Skulptur auf die künftige „Wein-Zeit“. Und auch die Museumsleiterin Susanne Blach freut sich auf die neue Einrichtung, das Heuss-Zitat auf der Museums-Website passt bereits: „Ich gebe keine Richtlinien, ich gebe Atmosphäre.“ Der Bürgermeister Kieser nennt die Synergieeffekte aus der Nachbarschaft von Wein und Geist „ideal“ für die touristische Vermarktung. Es ist anzunehmen, dass Heuss nichts dagegen gehabt hätte: Er war bekennender Lembergerliebhaber.