Bis jetzt hat im Kreis noch niemand wegen eines fehlenden Kita-Platzes geklagt Foto: dpa

Die Kommunen fordern vom Land höhere Zuschüsse für die Ganztagesbetreuung in Horten und Schulen. Für die Gemeinden ist die Finanzierung der Angebote ein Kraftakt.

Böblingen - Auf der einen Seite freuen sich zahlreiche Städte und Gemeinden im Kreis über den Bevölkerungszuwachs, der mit einer steigenden Geburtenrate einhergeht. Der prosperierende Wirtschaftsstandort verzeichnete in den vergangenen fünf Jahren einen Anstieg um rund 10 000 Kreisbürger. 380 000 Einwohnern zählte man im vergangenen Jahr im Kreis, darunter auch 4000 Neugeborene – so viele wie seit 20 Jahren nicht. Auf der anderen Seite stehen viele Kommunen vor einem finanziellen Kraftakt. Sie müssen zusätzliche Plätze in den Kinderhorten schaffen, Kindergärten sanieren und die Ganztagesbetreuung in Schulen ausbauen.

Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren

„Die Städte und Gemeinden müssen viel Geld für den Ausbau von Kitas in die Hand nehmen. Und auch die Schulen bedürfen noch mehr der Unterstützung“, unterstrich der Landrat Roland Bernhard in der Sitzung des Kreisjugendhilfeausschusses am Montag. Er wolle sich dafür einsetzen, dass in den Verhandlungen etwa des Städtetags mit dem Land die Zuschusssituation angesprochen werde. Zwar habe das Land bei der Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren gut geholfen, erklärte der Grafenauer Bürgermeister Martin Thüringer. „Doch wollen immer mehr Eltern für ihre Kinder auch in der Grundschule eine ganztägige Betreuung“, betonte der Schultes. Diese auf die Beine zu stellen, sei für ihn wie auch für andere kleinere Gemeinden finanziell nicht einfach.

Denn allein der Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren auf die Betreuung in einer Krippe und das Angebot weiterer Kindergartenplätze habe seine Kommune vor eine enorme Herausforderung gestellt. Die Gesamtkosten dafür belaufen sich laut Thüringer in Grafenau auf 3,6 Millionen Euro. Für diese Summe stelle seine Gemeinde insgesamt 300 Plätze in Kindergärten und Horten zur Verfügung. Damit hätten sich die Ausgaben binnen fünf Jahren in etwa verdoppelt. Auch wenn die Eltern über Gebühren 650 000 Euro beisteuerten und das Land Zuschüsse von 860 000 Euro gewähre, bleibe an der als finanzschwach geltende Kommune immer noch eine Summe von zurzeit 2,1 Millionen hängen.

Die Eltern sollen 20 Prozent der Kita-Kosten tragen

Auch die größeren Kommunen verzeichnen deutlich höhere Kosten. Die laufenden Aufwendungen für Kitas und Kindergärten haben sich in Herrenberg innerhalb von neun Jahren ebenfalls verdoppelt: auf 13,2 Millionen Euro. In Sindelfingen schlugen die Ausgaben noch höher zu Buche: 2017 gab die Stadt für die gesamte Kinderbetreuung 28,2 Millionen Euro aus, im Jahr 2008 waren es noch 16 Millionen Euro weniger. An Zuweisungen vom Land erwartet die Stadt in diesem Jahr 7,9 Millionen Euro, im Jahr 2008 waren es noch 2,3 Millionen Euro, die das Land beisteuerte.

Bei den Plätzen für die unter Dreijährigen ist die Sache klar: Das Land übernimmt 60 Prozent der Kosten. Über die Elternbeiträge sollen rund 20 Prozent der Kosten in die Kasse fließen, sodass die Kommunen für 20 Prozent aufkommen sollen. Doch dabei handelt es sich – was die Gebühren angeht – um eine Modellrechnung, oft zahlen die Eltern weitaus weniger., „Wir liegen dabei deutlich unter 20 Prozent“, sagte etwa der Kämmerer von Holzgerlingen, Ioannis Delakos, „das Land könnte mehr zahlen.“ Zumal neben den Kindergärten auch die Schulen renoviert werden müssten, wo die Betreuungsangebote ausgebaut werden sollen. „Bisher zahlt das Land nur für Neubauten, das ist nicht länger akzeptabel“, erklärte der Landrat.

Bisher sei es aber noch immer gelungen, genügend Kita-Plätze im Kreis zu schaffen, resümierte der Landrat. Dies zeige die Tatsache, dass noch niemand im Kreis seinen Rechtsanspruch eingeklagt habe.

Mehr Geburten in großen Kommunen

Neubürger
: Die Zahl der Geburten stieg im Kreis 2016 gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent. Insgesamt erblickten 4000 Kinder das Licht der Welt. So viele Geburten gab es seit 1997 nicht mehr. Damals wurden 4147 Kinder geboren. In den Folgejahren sank die Zahl kontinuierlich. Seit 2013 gibt es einen Aufwärtstrend. Der Grund liegt auch darin, dass viele junge Familien in den Kreis ziehen, weil es große und mittlere Firmen gibt, die gut bezahlte Arbeitsplätze bieten.

Geburten:
Kleinere Kommunen hatten im Jahr 2016 meist weniger Geburten als etwa im Jahr 2008. Altdorf verzeichnete mit 43 ein Minus von zwölf, Mötzingen mit 30 eines mit elf. In den größeren Städten dagegen stieg die Zahl deutlich: in Böblingen von 423 auf 539, in Leonberg von 383 auf 507, in Sindelfingen von 592 auf 693.