An der Stafflenbergstraße zerfällt eine Villa nach und nach. Foto: red

Der Baubürgermeister bemüht sich persönlich um den Erhalt einer alten, herrschaftlichen Villa.

Gänsheide - In der Einfahrt wuchert Gestrüpp. Dazwischen stehen Einkaufswagen, die irgendjemand in irgendeinem Supermarkt geklaut hat. Am einst stolzen Haus, drei Stockwerke hoch und reich verschnörkelt, sind etliche Fensterscheiben geborsten. Rund um den Eingang ist der Putz weggeschlagen – wie an vielen anderen Stellen der Fassade auch. An der Rückseite ragt neues Mauerwerk in die Höhe, zwei, drei Meter, als Zeuge dafür, dass hier ein Ausbau begonnen hat. Allerdings wurde er nie zum Ende gebracht. Die ursprüngliche Außenwand ist durchbrochen und notdürftig wieder verschlossen worden.

Baubürgermeister kümmert sich persönlich

Was hier verfällt, ist eine herrschaftliche Villa an der Stafflenbergstraße, in bester Halbhöhenlage. Sie ist nur ein einzelnes Haus, aber eines, um das sich inzwischen bemühen: das Stadtplanungsamt, das Baurechtsamt und der Baubürgermeister Matthias Hahn persönlich. Der Besitzer hatte einen Antrag auf Abriss gestellt. Zwar ist jenes Haus nicht als Denkmal geschützt, aber es ist typisch für Stuttgart in dieser Lage und weithin sichtbar, sogar vom Charlottenplatz aus. Der Wunsch, es einfach abzuräumen, „hat mich angriffslustig gemacht“, sagt Hahn. Zumal die Neubaupläne „von erschreckender Monotonie waren“.

Juristisch gibt es keine Möglichkeit, einem Hausbesitzer zu verbieten, sein Eigentum verrotten zu lassen. „Dass es unschön aussieht, ist rechtlich leider nicht von Bedeutung.“ So sagt es Kirsten Rickes, die Leiterin des Baurechtsamts. Das dürfte erst eingreifen, wenn herabstürzende Teile die Sicherheit von Fußgängern gefährden könnten. Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin der Stadtmitte, argwöhnt gar, dass „das Haus mutwillig zerstört wurde, damit es doch noch abgerissen werden kann“. Gleiches gilt für die Nachbarn, die immer wieder Alarmmeldungen ins Rathaus absetzen, wenn sie Bauarbeiter sichten oder sie nur zu sehen glauben. Jüngst eilten deshalb Mitarbeiter zweier Ämter an den angeblichen Tatort – sie fanden nichts.

Dabei wird es aller Voraussicht nach bleiben. Den Abriss hat die Stadt endgültig verboten, mit Hilfe eines Gemeinderats-Beschlusses. Dagegen könnte der Hausbesitzer klagen, aber darauf deutet nichts hin. Hahns Angriffslust ist Zufriedenheit gewichen, nach „einem sehr freundlichen Gespräch mit dem Eigentümer“. Der hat inzwischen einen Architekten mit den Plänen für einen Um- statt für einen Neubau beauftragt. Die ersten Entwürfe „sehen sehr akzeptabel aus“, sagt Hahn, „das Bild bleibt erhalten“.

Ein Haus mit bewegter Vergangenheit

Jene Villa hat nicht nur Geschichte überdauert, auch ihre jüngere Vergangenheit war bewegt. Sie wechselte innerhalb weniger Jahre zweimal den Besitzer und zwar samt dem im Baustil ähnlichen Nebenhaus, das inzwischen vollständig saniert und zur Adresse eines Bettwäscheherstellers geworden ist. Was fehlt, ist nur noch die Gartenmauer, die bis zum Beginn der Renovierung vor den Blicken von Fußgängern schützte und während der Arbeiten eingerissen wurde.

Die Arbeit an der Nachbarvilla hat „der vorige Besitzer mittendrin abgebrochen und Hals über Kopf verkauft“, sagt Wolf Gläser vom Stadtplanungsamt, „mit dem jetzigen hat das gar nichts zu tun“. Dessen Vorgänger hatte es mit den Vorgaben der Stadt nicht allzu genau genommen. Der geplante Anbau, dessen Reste die Mauern auf der Rückseite sind, „ist nicht genehmigt worden“, sagt Gläser. Zwar wollte der damalige Eigentümer mit Hilfe eines Gutachters seinen Willen erzwingen, „aber da“, sagt Gläser, „ist die Stadt richtig hingestanden und hat gesagt: Det jeht nich’“.