Ein Archivbild aus dem Februar 2025: Die Hamas übergibt im Gazastreifen eine israelische Geisel an das Rote Kreuz. Foto: dpa/Abdel Kareem Hana

Bei den Gaza-Gesprächen in Ägypten geht es auch um die Zukunft der Terrorgruppe. Noch sperrt sie sich in einem wichtigen Punkt.

Die Hamas hat im Gaza-Krieg viele ihrer Anführer und die Hälfte ihrer einst 30 000 Kämpfer verloren, ihr Rückhalt bei den Palästinensern sinkt, und jetzt verlangt US-Präsident Donald Trump ihre Entwaffnung. Bisher lehnt die Terrorgruppe das ab, doch zumindest ein Verzicht auf schwere Waffen wie Raketen könnte nach Einschätzung von Experten ein Weg für die Organisation sein, den Gaza-Konflikt zu überleben. Bei den Gesprächen in Ägypten über ein Ende des Gaza-Krieges geht es deshalb auch um die Zukunft der Hamas.

 

Unmittelbar nach ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 genoss die Hamas die Unterstützung vieler Palästinenser, weil sie den übermächtigen Gegner Israel gedemütigt hatte. Doch inzwischen machen viele Palästinenser die Hamas für den Tod von fast 70 000 Menschen im Gaza-Krieg und die Verwüstung des Küstenstreifens verantwortlich. Das von der EU mitfinanzierte palästinensische Meinungsforschungsinstitut PCPSR ermittelte im Dezember 2023, dass 57 Prozent der Bewohner von Gaza den Hamas-Angriff guthießen – im Mai dieses Jahres waren es nur noch 37 Prozent.

In Gaza demonstrierten Zivilisten in den vergangenen Monaten gegen die Hamas, die das Gebiet seit 2007 regiert. Nach der Präsentation von Trumps Plan für ein Ende des Gaza-Krieges vorige Woche hoffen Bewohner des Küstenstreifens auf ein Ende des Krieges, wie der katarische Sender Al-Dschasira aus Gaza berichtet. Die Hamas steht auch unter dem Druck arabischer Staaten und der Türkei, den Plan anzunehmen. Selbst der Iran, Geldgeber und Waffenlieferant der Hamas, äußerte sich positiv über die Vorschläge des US-Präsidenten.

Einige Teile des Trump-Planes sind für die Hamas hinnehmbar oder sogar positiv. Trump bietet den verbliebenen Kämpfern – nach israelischen Schätzungen sind das 10 000 bis 15 000 Männer – eine Amnestie an, wenn sie sich zur „friedlichen Koexistenz“ mit Israel bekennen. Hamas-Mitglieder sollen auch ins Exil gehen dürfen. Zu der von Trump verlangten Freilassung aller israelischen Geiseln und zum Verzicht auf die politische Macht über Gaza ist die Hamas bereit.

Zur Entwaffnung sagt die Hamas bisher Nein.

Doch die von Trump ebenfalls geforderte Entwaffnung lehnt die Hamas bisher ab. Bei den Gesprächen über die Umsetzung des Planes in Ägypten ist diese Weigerung einer der Punkte, an denen die Verhandlungen scheitern könnten. Die Hamas-Delegation am Verhandlungsort Scharm el-Scheich weiß, dass sie die Fortsetzung des Krieges riskiert, wenn sie sich stur stellt. Bisher habe die Hamas nicht über die Frage der Entwaffnung reden wollen, meldete die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch.

Der Nahost-Experte Joe Macaron von der US-Denkfabrik Wilson Center glaubt, dass der Druck auf die Hamas so groß ist, dass sie sich zumindest von einem Teil ihrer Waffen verabschieden muss. „Im Moment hat die Hamas keine andere Wahl, als die Waffen niederzulegen, besonders die schweren Waffen“, sagte Macaron unserer Zeitung. Das würde bedeuten, dass die Hamas auf Drohnen, Raketen und Granatwerfer verzichtet. Dazu sei jedoch ein Minimum an Vertrauen zwischen den Konfliktparteien nötig, meint Macaron.

Hamas-Vertreter sollen sich nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ bereit erklärt haben, schwere Waffen wie Raketen in Depots des Gaza-Vermittlers Ägypten und der UNO abzugeben. Leichte Waffen wie Schnellfeuergewehre wolle die Gruppe dagegen behalten.

Viele Hamas-Terroristen würden eine Entwaffnung als Kapitulation vor Israel und den USA verstehen. Ohne Waffen wären die Palästinenser den Israelis schutzlos ausgeliefert, sagte Hamas-Führungsmitglied Teysir Süleyman der irakischen TV- und Internetplattform Rudaw.

Die Hamas muss sich entscheiden

Allerdings könnte der Hamas die vollständige Zerschlagung drohen, wenn sie die Entwaffnung verweigert und Israel den Krieg fortsetzt. Viele Palästinenser, in deren Namen die Hamas angeblich kämpft, würden sterben. Sie muss sich entscheiden. Die Terrorgruppe stehe vor einem „Augenblick der Wahrheit“, sagt der Nahost-Experte Amjad Iraqi von der Denkfabrik International Crisis Group der Zeitung „Australian Financial Review“.

Eine Hamas ohne Waffen müsste sich von ihrer bisherigen Ideologie lösen, die seit Gründung der Organisation 1987 den Kampf gegen Israel zur Grundlage hat. Das wäre schwierig, aber nicht undenkbar.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) machte schon vor mehr als 30 Jahren vor, dass der bewaffnete Kampf nicht unverzichtbar ist: 1993 sagte sich der damalige PLO-Chef Jasser Arafat von Gewalt und Terror gegen Israel los. Im Gegenzug erkannte Israel die PLO als Vertreterin der Palästinenser an. In der Türkei hat die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in diesem Sommer in Erwartung politischer Reformen ihre Waffen niedergelegt – die PKK kämpfte länger gegen die Türkei als die Hamas gegen Israel.