Trotz positiver Signale Israels und der Terrororganisation Hamas: Nach jetzigem Stand haben die Verhandlungen kaum Aussichten auf Erfolg.
Obwohl sich Israel und Hamas positiv zum US-Plan für eine Waffenruhe in Gaza äußern, liegt noch ein schweres Stück Arbeit vor den Vermittlern Amerika, Ägypten und Katar. Die Kriegsparteien wollen nicht als Neinsager dastehen, vermeiden es aber, sich verbindlich auf den Plan festzulegen. In Israel wollen rechtsradikale Politiker die Regierung zu Fall bringen, wenn der US-Vorschlag umgesetzt wird. Die Hamas-Führung will den amerikanischen Plan zu ihren Gunsten abändern. Die gegensätzlichen Interessen werden die Verhandlungen über Fragen wie den Gefangenenaustausch erschweren.
Joe Biden will vom Frieden profitieren
Zwischen Israel, Hamas und den Vermittlern gibt es derzeit keine Gespräche, obwohl Präsident Joe Biden seinen Plan für die Waffenruhe bereits am 31. Mai vorgelegt hatte und sich der UN-Sicherheitsrat inzwischen hinter den Vorschlag gestellt hat. Bidens Plan sieht in einem ersten Schritt eine sechswöchige Kampfpause vor, während der eine bestimmte Zahl von Hamas-Geiseln und hunderte palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden sollen. Ein Teilrückzug der israelischen Armee und verstärkte Hilfe für die Zivilisten in Gaza sollen diesen Prozess begleiten. In Phase Zwei soll aus der Feuerpause ein dauerhafter Waffenstillstand werden, weitere Geiseln sollen freikommen. In Phase Drei beginnt der Wiederaufbau von Gaza.
Biden will mit seinem Plan die Rolle der USA im Nahen Osten stärken und seine Chancen auf Wiederwahl im November verbessern. Seine bedingungslose Unterstützung für Israel in den ersten Monaten des Gaza-Krieges hat liberale und linke Wähler verärgert. Ein baldiges Ende der Kämpfe könnte sie mit Biden versöhnen.
Auf dem Papier sieht die amerikanische Initiative wie eine gute Lösung aus, doch ein Blick auf die Kriegsziele der Konfliktparteien zeigt, wie schwer eine Einigung wird. Rechtsradikale Politiker in Israel streben die militärische Vernichtung der Hamas und eine israelische Besiedlung des Gazastreifens nach einer „freiwilligen Emigration“ der Palästinenser an und wollen Ministerpräsident Benjamín Netanjahu stürzen, wenn er bei Bidens Plan mitmacht. Nach der Befreiung von vier Geiseln durch die Armee am Wochenende sehen sie sich in ihrer Kompromisslosigkeit bestätigt. Netanjahu hoffe, dass die Hamas-Führung den amerikanischen Vorschlag ablehne, um ihm aus der Klemme zu helfen, sagte der israelische Konfliktberater und Aktivist Gershon Baskin unserer Zeitung.
Amerikas Einfluss reicht nicht aus
Bei der Hamas sieht es nicht besser aus. Die palästinensische Terrorgruppe hatte den Krieg im Oktober begonnen, führt ihn trotz Zehntausender Todesopfer seit mehr als acht Monaten fort, ohne Rücksicht auf die eigene Bevölkerung. Sie hält Geiseln fest und sieht sich als Siegerin, weil sie den Angriffen der modernen israelischen Armee standhält und ihre Beliebtheit in der arabischen Welt gesteigert hat. Sie erachtet Bidens Plan als Chance, das eigene Überleben und die Herrschaft über den Gazastreifen zu sichern und Israel zu demütigen.
Solange beide Seiten meinen, Krieg sei für sie besser als Frieden, ist es für die Vermittler schwer, eine Waffenruhe auszuhandeln. Unterdessen geht der Krieg in Gaza weiter, und an der libanesischen Grenze entwickelt sich ein neuer Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah.
US-Außenminister Antony Blinken wollte am Mittwoch auf seiner jüngsten Nahost-Rundreise mit der Regierung Katar sprechen, das in dem Konflikt vermittelt. In den vergangenen Tagen hatte er Ägypten, Israel und Jordanien besucht, doch neue Ideen wurden dabei nicht bekannt. Bisher reicht der Einfluss von Amerika und Katar auf Israel und die Hamas nicht aus, um den Krieg zu beenden.
Unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit, die auf ein Ende des Gaza-Krieges dringt, werden sich Israel und Hamas neuen Gesprächen über den Biden-Plan zwar nicht verweigern. Nach jetzigem Stand haben die Verhandlungen aber kaum Aussichten auf Erfolg.