Auf dem Flugfeld präsentiert sich der Zirkus Charles Knie als großformatiges Varieté mit aufweniger Bühnenshow, Wasserspielen und sehr besonderen Artisten. Charles Knie verzichtet derweil auch komplett auf Wildtiere, deren Haltung im Zirkus jahrelang heftig kritisiert wurde.
Zappenduster ist es gewesen – am Anfang und am Ende. Das Programm des Zirkus Charles Knie, der jetzt auf dem Böblingen Flugfeld seine Zelte aufgeschlagen hat, hat wenig mit früheren Zirkusprogrammen zu tun. Gequälte Wildtiere oder doofe Clowns existieren nicht mehr; Knie hat sie komplett aus dem Programm genommen, zu anhaltend waren wohl die Proteste von Tierschützern. Dem Programm schadet das nicht. Im Gegenteil: Diese Show erinnert eher an ein großformatiges Varieté. Nicht nur zu Beginn ist es dunkel, sondern auch nach dem Ende jeder Nummer erlischt das Licht, um bei der nächsten Darbietung wieder blitzlichtartig den Raum zu erhellen.
So entsteht das Gefühl eines rasenden Rhythmus’. Die notwendigen Umbauarbeiten werden zügig ebenfalls bei Dunkelheit vollzogen und die begeisterten Zuschauer erleben so einen fulminanten Bilderbogen, der in hohem Tempo vorüberzieht. Dazu zählt auch hinter der Bühne ein reibungsloser Organisationsablauf, der dem eines Staatstheaters nicht unähnlich ist. Jede Darbietung wird ungeheuer professionell und mit Charme realisiert. Gerade der Eindruck von Leichtigkeit wird erst erreicht, wenn intensivstes Training zur Perfektion in allen Details führt. Zu Beginn und zum Ende singt Biarnellis del Carmen einen Hit und auch zwischendurch werden kurze Musikzitate eingespielt: Armstrongs „What a wonderful world,“ Offenbachs „Can Can“, Sinatras „I did it my way“ und Orffs „Carmina burana“.
Begeisternd ist nicht nur die Perfektion der Theaternummern, sondern auch die wohl berechnete Abfolge höchst unterschiedlicher Inhalte. Die Ansage betont, dass man die Sinne der Zuschauer fluten will, und man kann ihr zustimmen, dass dieses gelingt. Veronika Faltyny und ihre Ballett-Dancers lösen heitere Stimmung aus, und sie überzeugen auch durch ihre unglaublich raffinierten und fantasievollen Kostüme und eine bezaubernde Darbietung.
Nach einigen äußerst temporeichen Darbietungen schafft der Clown César Dias in der ersten und in der zweiten Programmhälfte Momente des Innehaltens. Er erinnert durchaus an Charlie Chaplin, da seine zum Lachen anregenden Einlagen nicht plump und tollpatschig sind, sondern eher subtil den Kampf mit der Tücke des banalen Alltagsobjekts zum Inhalt haben – seien es das Mikrofon oder die berühmte singende Säge; Humor, gleichermaßen für Kinder und Erwachsene. Bestechend ist auch die begleitende Licht- und Wassershow, die manche Darbietungen wie hinter einem Vorhang erscheinen lässt und andere unterstützt, sodass auch die Zuschauer in der ersten Reihe mal Tröpfchen der Fontänen abbekommen.
Den Zuschauern stockt der Atem
Es fällt schwer, einzelne Höhepunkte herauszuheben, denn gerade der Wechsel zwischen den besinnlicheren Darbietungen und den spektakulären erhöht auch die Attraktivität der Programme. Zu der stilleren gehört der Italiener Lorenzo Bernardi, der demonstriert, dass er offensichtlich keine Knochen und Gelenke hat, sondern nur einen Gummikörper. Spektakulär hingegen ist die Zauberschau von Jidinis, der Menschen verschwinden lässt oder Motorräder präsentiert, die scheinbar aus dem Nichts kommen.
Laura Urunova zeigt mit ihren Papageien, dass ein Zirkus auch ohne Löwen und Elefanten auskommen kann. Die moderne Dressur kommt ohne Quälerei aus, arbeitet mit Belohnungen und nutzt den Spieltrieb und die Wissbegier der Tiere, die gefordert sein dürfen, sonst verkümmern sie.
Jan Navratil balanciert mit seinen Füßen atemberaubend mit Zylindern, einer Torwand und Bällen. Devin und Davide bieten an einem Seil hängend schwindelerregende Turnübungen. Jimmy Navratil balanciert mit bis zu sieben Tennisschlägern auf einmal.
Den Zuschauern stockt der Atem, wenn die Truppe Robles aus Kolumbien klassische Hochseilartistennummern realisiert. Sie sind auch Inhaber des Weltrekords, bei dem sieben Mitglieder gleichzeitig in drei verschiedenen Etagen angeordnet das Seil überqueren. Dieses Seil dient ihnen auch zum Fahrradfahren oder zum Überspringen von zwei Personen – alles ohne Netz und doppelten Boden. Der Abwechslungsreichtum und das hohe Tempo lassen die zwei Stunden im Nu vorübergehen.
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