Von Pizza Calzone bis Tortellini alla panna: Der Stuttgarter Gastronom Dino Andretti serviert seit 30 Jahren den Deutschen italienische Küche – auch wenn der Zeitgeist manche kulinarische Blüte hervorbringt.
Herr Andretti, was stand bei Ihnen Ende der 80er Jahre in ihrem Lokal auf der Schwäbischen Alb auf der Speisekarte?
Gemischte Salate, Minestrone, als Pasta Spaghetti, Lasagne und Canneloni – und Pizza: Calzone, Regina und Quattro Stagioni – aber natürlich auch noch andere.
Also eher italienische Standardkost, möchte man sagen. Wollten die Gäste nichts anderes?
Das hatte mehrere Gründe. Viele Zutaten zum Beispiel hat man damals gar nicht bekommen oder sie waren ganz unbekannt, sodass ich manche Gerichte gar nicht anbieten konnte. Als ich meinen Gemüsehändler nach Rucola fragte, wusste er nicht, was ich meinte. Mit dem Wörterbuch haben wir dann herausbekommen, dass es sich um Rauke handelte. Rosmarin war für die meisten Gäste eher eine Art Tannengrün. Damals haben wir Sachen serviert, die die Gäste heute zurückgehen lassen würden – und das mit Recht.
Ein Beispiel?
Der Tomaten-Mozzarella-Salat zum Beispiel. Da reichte ein Mozzarella aus dem Supermarkt, den man mit diesen schrecklichen holländischen Tomaten ohne Geschmack arrangierte. Ein bisschen Olivenöl drauf und fertig war die Vorspeise.
Und heute?
Es müssen auf jeden Fall Kirschtomaten und Büffelmozzarella sein. Dazu frischer Basilikum und ein gutes Olivenöl. Das verlangen die Gäste heute. Der deutsche Gaumen hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verfeinert und ist anspruchsvoller geworden – zum Glück.
Was war den Gästen vor 30 Jahren wichtig?
Damals zählte eher Quantität als Qualität. Das lag aber auch daran, dass den Deutschen das Prinzip der Antipasti, Primi und Secondi Piatti nicht vertraut war. Eine Pasta galt als Hauptgang, wie auch heute oft noch. Damals waren die Portionen größer oder mussten zumindest größer wirken.
Wie hat ein italienischer Gastronom Gerichte größer wirken lassen?
Ein Beispiel: Eine Lasagne wurde immer in großen Terracottaschalen serviert. Niemand von uns kam auf die Idee, sie so wie heute auf einem Teller zu arrangieren. Überbackene Pasta in einer Schale zu servieren, ist ein eleganter Kniff, ein Gericht nach mehr aussehen zu lassen.
Gibt es Gerichte, die in Deutschland anders zubereitet werden als in Italien?
Spaghetti alla Carbonara zum Beispiel. Ein Italiener würde sie niemals mit Sahne zubereiten. Überhaupt Sahne: Bis vor 30 oder 40 Jahren war sie als Zutat für Gerichte in Süditalien, wo ich herkomme, völlig unbekannt.
Wie gehen denn originale Spaghetti alla Carbonara?
Sie braten Speck in Olivenöl an, mischen ihn mit Gemüsebrühe unter die Pasta und verschlagen pro Portion ein frisches Ei, das sie unter die Pasta heben. Die Brühe und das Ei binden dann. Sahne kommt da nicht rein. Aber viel Parmesan. Und kurz vor dem Servieren Petersilie.
Ist damals nach dem
Essen schon der Espresso, um den heute ein richtiger Kult entstanden ist, von den Gästen geordert worden?
Jein. Espresso ist bestellt worden, aber vor allem viel Cappuccino. Das tut dann immer ein bisschen weh, denn für einen italienischen Gastronomen gehört sich ein Cappuccino nach dem Essen einfach nicht. Im Grunde wird das Menü dadurch kaputt gemacht.