Im Stuttgarter Norden eskaliert ein Streit um ein kleines Café. Inzwischen sind mehrere Ämter, das Regierungspräsidium und die Polizei involviert. Jetzt kommt noch die Verkehrsbehörde dazu – und eine Klage gegen die Stadt.
Im Café Lamber trinken an diesem Vormittag ein paar Leute ihren Kaffee. Man unterhält sich, begrüßt sich mit Namen. Ein Treffpunkt fürs Quartier. Als solchen versteht auch der Betreiber Cameron Grobenski sein Café an der Ecke Eduard-Pfeiffer-Straße und Helfferichstraße im Stuttgarter Norden. Der Bereich gilt in Stuttgart als Vorzeigeviertel, weil es hier zwischen den Wohnhäusern noch Geschäfte und ein bisschen Gastronomie gibt. In der ganzen Stadt kämpft man darum, solche lebendigen Flecken am Leben zu erhalten.
Cameron Grobenski dagegen kämpft um den Fortbestand seines Cafés. Beteiligte sind zwei kritische Nachbarn, inzwischen vier städtische Behörden, die Politik, das Regierungspräsidium, diverse Gerichte und die Polizei. Im Grundsatz wehren sich die beiden Anwohner wie berichtet juristisch gegen die Umwandlung des früheren Geschäfts Grobenskis an selber Stelle in einen Gastronomiebetrieb. Den hatte die Stadt unter strengen und teuren baulichen Auflagen genehmigt – bis 22 Uhr abends. Grobenski öffnet allerdings nur bis 18 Uhr. Seit der Eröffnung im Sommer 2023 folgen Klagen, Prozesse, Polizeibesuche ohne Anlass und jede Menge Versuche, den Betrieb einzuschränken.
Einer davon war erfolgreich. Grobenski hatte zeitweise auf Wunsch der Gäste einen kleinen Mittagstisch angeboten – Würstchen aus dem heißen Wasser, Omelette aus der Mikrowelle. Er darf laut Genehmigung aber keine warmen Speisen anbieten. Um das zu ändern, ist ein neuer Bauantrag nötig, obwohl gar keine Umbaumaßnahmen geplant sind. Laut Grobenski ist das teuer und langwierig. „Inzwischen haben wir den Antrag trotzdem eingereicht, mit jeder Menge Unterlagen“, sagt er – in der Hoffnung, dass der nicht ewig liegen möge.
Dennoch sei die „Lage angespannt“, so der Gastronom. Denn inzwischen darf sich auch die Stuttgarter Verkehrsbehörde mit dem Fall befassen. Der Grund: Bisher durfte Grobenski einen öffentlichen Parkplatz an der Straße für die Außengastro nutzen. Einer der Anwohner hat nun aber beantragt, diese Fläche in einen Motorradstellplatz umzuwandeln, damit zu verkleinern und in der Konsequenz für das Café unbrauchbar zu machen. Als Begründung führt der Anwohner an, er müsse über diese Fläche mit seinem Auto in den Hof des Hauses fahren. „Er hat dafür Bilder vorgelegt. Die Türen des Autos gehen gar nicht auf, wenn man reingefahren ist und aussteigen möchte“, sagt Cameron Grobenski.
Eine Sprecherin der Stadt sagt dazu: „Dem Amt für öffentliche Ordnung liegt ein Antrag hierzu vor. Die Straßenverkehrsbehörde ist mit der Prüfung befasst, ob private Erschließungsrechte vom öffentlichen Verkehrsraum auf die private Hoffläche bestehen.“ Aufseiten der Anwohner, die sich gegen das Café wehren, betont man, es gehe auch um Gerüche, jedoch vor allem um den Lärm. Der Betrieb sei täglich, also auch an Sonn- und Feiertagen, bis 22 Uhr gestattet. Es mache einen Unterschied, ob sich in einem Mehrfamilienwohnhaus nur ein Café mit Abgabe von Speisen und Getränken zum Mitnehmen oder zum Verzehr außerhalb oder eine Gaststätte mit Innenbewirtschaftung befinde. Deshalb versuche man im Auftrag der Anwohner, dies möglichst zu verhindern, sagt deren Rechtsanwalt Marc Wennberg. Das Baurechtsamt der Stadt Stuttgart sei ebenfalls der Meinung gewesen, dass die Umnutzung in eine Gaststätte nicht genehmigungsfähig sei. Lediglich auf Weisung des Regierungspräsidiums Stuttgart habe das Baurechtsamt die Baugenehmigung gegen die eigene Überzeugung dann doch erteilen müssen.
Zwei Anwohner wehren sich gegen Gastronomie
„Die Baugenehmigung ist nun Gegenstand einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht“, sagt Marc Wennberg, Rechtsanwalt der Anwohner. Grundsätzlich müsse der Ausgang eines Widerspruchsverfahrens zwar abgewartet werden, da dieses jedoch bereits sehr viel länger als die gesetzlich vorausgesetzten drei Monate andauere und der Betrieb seither laufe, habe sogleich Klage erhoben werden können.
In wohnungseigentumsrechtlicher Hinsicht sei in zweiter Instanz noch ein Beschlussanfechtungsverfahren gegen die Genehmigung der Umnutzung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft des Gebäudes anhängig, in welchem sich die Gastwirtschaft befindet, sagt Wennberg. Dort komme es maßgeblich auf die Auslegung der Teilungserklärung an, welche Nutzungen im Gebäude zulässig sein sollen.
Sozialer Treffpunkt oder Lärmquelle?
Der Streit über den beliebten Treffpunkt lässt nicht nur Stammgäste, sondern auch viele Nachbarn zunehmend fassungslos zurück. „Wie viele Ämter sind da eigentlich inzwischen beteiligt?“, fragt auch Bezirksvorsteherin Sabine Mezger. Sie hat mehrfach versucht, in der Sache zwischen dem Betreiber und der Stadtverwaltung zu vermitteln. Generell spricht sie davon, das Café Lamber sei für das Quartier „ungeheuer wichtig“. Es handle sich um ein kleines Café, „nichts überbordend Lärmintensives“, das auch einen sozialen Anlaufpunkt für die Bewohner des Viertels und darüber hinaus darstelle. „Solche Anlaufstationen tragen zur Entwicklung und Belebung des Quartiers bei“, sagt sie.
Das sehen offenbar nicht alle so. Der Rechtsstreit dürfte sich wohl noch länger hinziehen. Cameron Grobenski scheint aber nicht der einzige Betroffene zu sein. Nach der ersten Berichterstattung haben sich weitere Nachbarn gemeldet, die offenbar von denselben Anwohnern wegen anderer Bausachen ebenfalls juristisch angegangen worden sind. Es gibt also viel Ärger im Quartier rund um die Helfferichstraße, das nach außen hin als Vorzeigeviertel gilt. Und es bleibt die spannende Frage, welche Behörde wohl die nächste sein wird, die sich damit befassen muss.